Rivaroxaban versus VKA: Blutungsrisiko bei Polymedikation

Das Blutungsrisiko bei Patienten mit einer tiefen Venenthrombose war bei einer Behandlung mit Rivaroxaban im Vergleich zu Enoxaparin und anschließender Therapie mit einem Vitamin-K-Antagonisten niedriger.  Aber welche Auswirkungen hatte eine Polymedikation?

DOAK auf dem Vormarsch

Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) sind bei der Behandlung und Prävention der tiefen Venenthrombose mittlerweile Mittel der ersten Wahl. Sie haben zahlreiche Vorteile, unter anderem ein günstigeres Blutungsrisiko-Profil im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten (VKA).

Wenn Interaktionen ins Spiel kommen

Allerdings sind sie, ebenfalls wie Vitamin-K-Antagonisten, bei Patienten unter einer Polypharmazie mit einem erhöhten Blutungsrisiko assoziiert. Da Rivaroxaban als fixe Dosis verordnet wird und keine INR-Wert-Kontrollen durchgeführt werden, könnten die Auswirkungen einer Multimedikation hier sogar größer sein, denn Rivaroxaban ist ein Substrat von Cytochrom P450 (CYP) 3A, 2J2 und P-Glykoprotein (P-gp).

Rivaroxaban versus VKA

In einer Post-hoc-Analyse des EINSTEIN deep vein thrombosis (DVT) and pulmonary embolism (PE) program mit mehr als 8000 Patienten wurden die Auswirkungen einer Polypharmazie, auch speziell mit CYP3A4- und P-gp-Substraten, auf das Blutungsrisiko untersucht. Verglichen wurde Rivaroxaban mit der Behandlung aus Enoxaparin plus anschließender Umstellung auf einen Vitamin-K-Antagonisten (VKA).

Blutungsrisiko unter Polymedikation vergleichbar

Mit zunehmender Anzahl der Begleitmedikamente stieg die Inzidenz der klinisch relevanten Blutungen von 5,7% auf 13,3% in der Rivaroxaban-Gruppe und von 9,1% auf 11,1% in der Enoxaparin/VKA-Gruppe. Ohne eine Komedikation war das Blutungsrisiko mit Rivaroxaban niedriger im Vergleich zu Enoxaparin/VKA (Hazard-Ratio 0,6; 95%-Konfidenzintervall: 0,4–0,9). Ab vier zusätzlichen Medikamenten war das Risiko aber ähnlich. Die Einnahme von CYP3A4- oder P-gp-Inhibitoren war in beiden Gruppen mit einem doppelt so hohen Blutungsrisiko verbunden.

Etwa 10% der Patienten nahmen mindestens einen CYP3A4-/P-gp-Hemmer ein. Am häufigsten waren es Clarithromycin, Verapamil, Diltiazem, Amiodaron und Fluoxetin.

Nicht nur die Pharmakokinetik spielt eine Rolle

Da weder CYP3A4 noch P-gp am Metabolismus von Vitamin-K-Antagonisten beteiligt sind und bei den Patienten ein Monitoring des INR stattgefunden hat, erklären die Studienautoren das erhöhte Blutungsrisiko bei einer Polymedikation unter der Therapie mit Enoxaparin/VKA durch die erhöhte Gebrechlichkeit der Patienten. Die Patienten in der Polypharmazie-Gruppe waren im Durchschnitt tatsächlich älter, hatten eine reduzierte Nierenfunktion, litten häufiger an einer Krebserkrankung oder erhielten häufiger einen Thrombozytenaggregationshemmer. Alles Faktoren, die mit einem erhöhten Blutungsrisiko verbunden sind.

Bei den Patienten die Rivaroxaban erhielten, kamen neben diesen Faktoren wahrscheinlich noch pharmakokinetische Interaktionen hinzu. Hier sollten Auswirkungen von nicht starken CYP3A4-Hemmern und P-gp-Inhibitoren zum Beispiel bei Patienten mit einer reduzieren Nierenfunktion bedacht werden.

Quelle

Bistervels IM. Effect of polypharmacy on bleeding with rivaroxaban versus vitamin K antagonist for treatment of venous thromboembolism. J Thromb Haemost 2022 Mar 7. doi: 10.1111/jth.15692. Online ahead of print.