Obwohl es in letzter Zeit viele Entwicklungen in der PCOS-Therapie gab, sind die Ursachen des polyzystischen Ovarsyndroms eher unbekannt. Auf dem diesjährigen Fortbildungskongress (FOKO) des Bundesverbandes der Frauenärzte gab Dr. med. Annette Bachmann, Frankfurt am Main, einen Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Stand und erklärte, wie Kinderwunsch und PCOS miteinander vereinbar sind.
Warum ist das Thema PCOS wichtig?
Von einem polyzystischen Ovarsyndrom sind schätzungsweise 8–13 % der Frauen im reproduktionsfähigen Alter betroffen. PCOS ist die häufigste Ursache für Zyklusstörungen. Infolgedessen kommt es häufig zum Ausbleiben der Ovulation, weshalb die Angst vor Infertilität bei betroffenen Patientinnen besonders groß ist. Ausschlaggebend für die Entwicklung eines PCOS ist eine genetische Disposition. Für das Spektrum der PCOS-Symptomatik verantwortlich ist eine Überproduktion von Androgenen bei den betroffenen Frauen. Dieser Hyperandrogenismus geht mit tiefgreifenden Veränderungen einher:
- ausgeprägte Virilisierung (Vermännlichung), inklusiver tiefer Stimme und Hirsutismus
- Akne
- Klitorishypertrophie
Die betroffenen Frauen leiden massiv unter diesen kosmetischen Auffälligkeiten. Darüber hinaus geht PCOS mit einem erhöhten Risiko für Depressionen, Angst- und Körperbildstörungen einher und auch das Risiko eines Endometrium-Karzinoms steigt an. Entsprechend beeinträchtigt ist die Lebensqualität und das Selbstwertgefühl von Frauen mit PCOS.
Pathophysiologie
Die exakten Mechanismen, die zur Manifestation eines PCOS beitragen, sind noch nicht abschließend aufgeklärt. Eine Rolle spielen könnten
- die ovarielle und adrenale Biosynthese von Steroidhormonen (Steroidgenese)
- die Wirkung der Steroidhormone an Steroid-Rezeptoren (v.a. am Androgen-Rezeptor)
- die Wirkung und Regulation von Gonadotropinen (LH, FSH, Inhibin, Kisspeptin)
- das Zusammenspiel aus Adipositas, Insulinwirkung und -sekretion sowie Energiestoffwechsel (v. a. Leptin und Leptinrezeptor)
- eine erhöhte intestinale Permeabilität
Zu den Gonadotropinen zählen das Luteinisierende Hormon (LH) und das Follikel-stimulierende Hormon (FSH), an deren Regulation Inhibin und Kisspeptin beteiligt sind.
PCOS und das Darmmikrobiom
Diskutiert wird auch, ob eine Dysbiose des Darmmikrobioms (vor allem von Bacteroides vulgatus, Prevotella, Kandleria) die Entstehung eines PCOS begünstigen könnte. Eine Hypothese dabei ist, dass die Dysbalance der Intestinalflora zu einer erhöhten Permeabilität des Darms führt und die systemische Zirkulation von Lipopolysacchariden im Körper zur Aktivierung des Immunssystems führt. Die Datenlage zu Pro- und Präbiotika bei PCOS ist uneindeutig, denn bisher ist nicht geklärt, welche Bifidobakterien und Lactobazillen genau und in welcher Kombination wirksam sein könnten. In einer Studie hatte weder die Gabe verschiedener Lactobazillus-Spezies (Probiotika) noch die Anwendung von Präbiotika wie Fructo- oder Galactooligosacchariden, Inulin oder Lactulose einen signifikanten Einfluss auf die Testosteron-Konzentration und den Hirsutismus-Score. Fest steht jedoch, dass eine PCOS-Symptomkontrolle allein durch die Gabe von Präbiotika und/oder Probiotika nicht möglich ist.
SMART-Goals
Das Akronym SMART steht für specific, measurable, achievable, realistic und time-bound. Folglich handelt es sich bei den SMART-Goals um erreichbare Ziele, die Ärzte zusammen mit den Patientinnen vorher klar definieren (sollten). Bachmann zufolge orientiere sich eine Behandlung in erster Linie an der Lebensqualität der Betroffenen, um diese möglichst zu verbessern. Ebenfalls wichtig, aber nachrangig, sei die Orientierung an Leitsymptomen und der Leitlinie, die sich derzeit noch in Überarbeitung befindet. Daneben stehen internationale, evidenzbasierte Guidelines, die Clincal Practice Guidelines (CPGs) der Endocrine Society, für das PCOS-Management zur Verfügung. Darin finden sich beispielsweise Empfehlungen zur Photoepilation und zur topischen Therapie mit Eflornithin als erste Wahl gegen die Androgenisierungserscheinungen.
Da die Diagnose eines PCOS oft schwierig ist und häufig als Ausschlussdiagnose erfolgt, das PCOS-Management inkonsistent ist und nicht immer den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht wird, hat eine Forschungsgruppe die methodische Qualität und Unterschiede in der Evidenz dieser Empfehlungen in einer Studie evaluiert.
Wie werden kutane Androgenisierungserscheinungen behandelt?
Goldstand sind laut Bachmann und Endocrine Society Guideline kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK), z. B. Dienogest/Ethinylestradiol oder Drospirenon/Ethinylestradiol. Es besteht aber auch die Möglichkeit, KOK mit Antiandrogenen wie Cyproteronacetat (CPA), Spironolacton oder Finasterid zu kombinieren. Weitere topische Therapieoptionen sind Eflornithin-Creme 11,5 %, Adapalen und Benzoylperoxid als Gel oder Creme in unterschiedlicher Konzentration (0,1–2,5 %). Interessanterweise ist auch der off Label-Einsatz des schwach antiandrogen wirksamen Metformins denkbar, denn das Biguanid konnte mehreren Studien zufolge die Ovulationsrate bei Frauen mit PCOS steigern. Bei unzureichendem Therapieerfolg oder Amenorrhö können Ärzte die Dosierung stufenweise alle 90 Tage steigern oder die Therapie umzustellen, z. B. von KOK auf KOK mit Antiandrogenen.
KOK mit Antiandrogenen
Am stärksten antiandrogen wirkt CPA in einer Dosierung von 10 mg, das sowohl als Monotherapie als auch als Kombinationspräparat appliziert werden kann. Spironolacton ist ein etwas weniger potentes Antiandrogen und teratogen. Es besitzt daher keine Zulassung für die Indikation PCOS, kann aber off Label und im Vergleich zu CPA nachrangig als Second-line-Therapie eingesetzt werden. Bei der Anwendung ist das Hyperkaliämie-Risiko zu beachten. Außerdem sollte die Dosierung eingeschlichen werden und regelmäßige Elektrolytkontrollen erfolgen. Finasterid besitzt dagegen keine Zulassung für die Hirsutismusbehandlung und sein Einsatz wird bei Frauen im gebärfähigen Alter auch nicht empfohlen. Eine Anwendung bei Frauen ist dennoch in der Postmenopause als Third-line-Therapie möglich, nachdem andere Behandlungsoptionen ausgeschöpft wurden.
Lebensstilmodifikationen nicht vergessen
Empfohlen werde Bachmann zufolge ein ganzheitlicher Ansatz, der neben einer medikamentösen Behandlung auch folgende Aspekte umfassen sollte:
- Lebensstilmodifikationen (Ernährung, körperliche Aktivität)
- Gewichtsreduktion um etwa 5 % bei adipösen Patientinnen und/oder
- Bariatrische Operation ab einem BMI > 32 kg/m2
- Ausschluss einer Essstörung bei sehr schlanken Frauen
- gegebenenfalls eine Verhaltenstherapie
Eine Gewichtsreduktion sei Bachmann zufolge aus unterschiedlichsten Gründen erstrebenswert: Sie ist nicht nur bei vorhandenem PCOS empfohlen, sondern beispielsweise auch, um bei Betroffenen mit Kinderwunsch das geburtliche Risiko für Mutter und Kind zu senken. An dieser Stelle kommt Metformin eine entscheidende Bedeutung zu, vor allem bei adipösen Patientinnen. Neben der Reduktion von Übergewicht und Insulinresistenz eignet sich das Biguanid auch zur off Label-Behandlung von Hyperandrogenämie und wird bei anovulatorischer Infertilität verwendet, um die Ovulation zu induzieren. Allerdings ist eine gute Aufklärung wichtig, da für das Gewichtsmanagement effektivere Therapieoptionen zur Verfügung stehen.
Jede Patientin mit PCOS kann genauso viele Kinder haben wie jede andere Frau ihres Alters auch!“
Kinderwunsch bei PCOS-Patientinnen
Die gute Nachricht ist: Frauen mit PCOS können grundsätzlich schwanger werden. Um eine Stimulationstherapie kommen Betroffene mit Kinderwunsch aber nicht herum, da es ohne sie nicht möglich wäre, schwanger zu werden. Bachmann zufolge sei Letrozol im Hinblick auf die Ovulationsrate besser geeignet als Clomifen. Im Gegensatz zu Metformin sei die Datenlage für die beiden Arzneistoffe „eindeutig und glasklar“. Allerdings gleiche eine Stimulationstherapie einer Gratwanderung, denn das Gleichgewicht zwischen einer ovariellen Unter- und Überstimulation zu finden, sei nicht leicht. Am Ende ihres Vortrags gab Bachmann den Kongressteilnehmern noch eine wichtige Botschaft mit auf den Weg, die betroffenen Frauen Mut machen dürfte:
„Mit dem richtigen Management kommt die Patientin ans Ziel, schwanger zu werden.“
Quelle
Fortbildungskongress (FOKO) 2022, Stadthalle Düsseldorf und virtuell, PCOS – Neues zur Therapie? Dr. med. Anette Bachmann, Frankfurt/Main, vom 11. März 2022