Hypermenorrhö mehr Aufmerksamkeit schenken

Übermäßiger menstrueller Blutverlust betrifft viele, vor allem junge Frauen. Aber wie viel genau ist überhaupt übermäßig? Und welche Therapieoptionen stehen zur Verfügung? Antworten lieferte Dr. Susan Halimeh, Duisburg, auf dem diesjährigen Fortbildungskongress (FOKO) des Berufsverbandes der Frauenärzte, der in der Stadthalle Düsseldorf und virtuell vom 10. bis 12. März 2022 stattfand.

Was ist Hypermenorrhö?

Hypermenorrhö (heavy menstrual bleeding, HMB) ist charakterisiert durch einen übermäßigen menstruellen Blutverlust. Obwohl davon viele, vor allem junge, Frauen betroffen sind und HMB somit von weltweiter Relevanz ist, ist dieses hochintime Thema gesellschaftlich stark tabuisiert. Vielen Betroffenen ist nicht bewusst, dass ihre Regelblutung nicht „normal“ ist. Denn häufig orientieren sich die Frauen an anderen menstruierenden Familienmitgliedern mit einer ähnlich ausgeprägten Regelblutung. Das National Institute of Health Care and Excellence (NICE) und die International Federation of Gynecology and Obstetrics (FIGO) definieren HMB als subjektiven übermäßigen menstruellen Blutverlust, der die Lebensqualität stark beeinträchtigen kann. Objektiv betrachtet liegt ein HMB vor, wenn der Blutverlust während der gesamten Periode mehr als 80 ml beträgt. Das entspricht in etwa drei bis vier Menstruationstassen (Größe S: 23 ml, Größe M: 30 ml Volumen bis zu den Luftlöchern) oder einem zu einem Viertel gefüllten Ikea-Standardglas.

Welche Messmethoden gibt es?

Für die Analyse des Menstruationsblutverlustes kommen zwei Verfahren zum Einsatz:

  • Das Pictural Blood-Loss-Assessment Chart (PBAC)
  • Die Myflox Score App

Pictural Blood-Loss-Assessment Chart

Diese einfache, kostenlose Methode basiert auf dem Ausfüllen einer Tabelle mit Scoring-System. Zunächst wird das Startdatum der Periode und der Blutungsgrad auf dem jeweils verwendeten Hygieneartikel (Binde, Tampon) in Form eines Scores eingetragen. Die Anwenderinnen können 1 bis 20 Punkte vergeben (1 = leicht blutbefleckt, 5 = moderat und 20 = vollständig mit Blut durchsetzt). Falls Gerinnsel sichtbar sind, können je nach Größe zusätzlich Punkte vergeben werden (1 Punkt für kleine, 5 Punkte für große Blutgerinnsel). Am Ende eines Menstruationszyklus zählen die Frauen alle Punkte zusammen, um den Gesamtscore zu ermitteln. Der Cut-off-Score liegt bei 100 Punkten und entspricht einem Blutverlust von mehr als 80 ml während der gesamten Regel und damit definitionsgemäß einer HMB. Bei 100 oder mehr Punkten, ist ein HMB aufgrund einer Blutgerinnungsstörung wahrscheinlich. Neben der Erfassung des Blutverlustes kann PBAC auch zur erleichterten Diagnosestellung genutzt werden, da sie ein erstes Indiz für eine vorliegende HMB ist.

Myflox Score App

Die Myflox Score App ist eine intuitiv anzuwendende, kostenfreie App mit wissenschaftlich anerkanntem PBAC-Score, an deren Entwicklung Frau Dr. med. Susan Halimeh, Allgemein- und Infusionsmedizinerin mit Schwerpunkt Gerinnungsstörungen am Gerinnungszentrum Rhein-Ruhr (GZRR), selbst maßgeblich beteiligt war. Die App ermöglicht den Anwenderinnen die Dokumentation des persönlichen Verbrauchs an Binden, Tampons oder Menstruationstassen und rechnet aus, ob die Regelblutung noch im normalen Bereich liegt. Sie kann so eine erste Einschätzung über die Periodenstärke – und gegebenenfalls einen Hinweis auf das potenzielle Vorliegen eines von-Willebrand-Syndroms – liefern. Außerdem können die Frauen die Ergebnisse als PDF speichern und ausdrucken und das weitere Vorgehen (Labortests, Gerinnungsstatus- und Hämoglobinwerte-Bestimmung) mit ihrem Gynäkologen besprechen.

Sowohl die PBAC als auch die Myflox Score App basieren auf dem PBAC-Score. Die Evaluation findet jeweils am Ende eines Menstruationszyklus statt und liefert einen ersten Anhaltspunkt, ob eine HMB und/oder Blutgerinnungsstörung vorliegt.

Möglicher Hinweis auf Gerinnungsstörungen

Warum ist die Behandlung einer HMB überhaupt von Bedeutung? Eine Hypermenorrhö kann in einer vorliegenden Gerinnungsstörung begründet sein. Zu den häufigsten Störungen des Blutgerinnungssystems zählen:

  • das von-Willebrand-Syndrom
  • Hämophilie A
  • Faktor VII-Mangel

In allen drei Fällen erhöht eine genetische Disposition die Erkrankungswahrscheinlichkeit. Außerdem sind Frauen mit HMB und/oder zugrundeliegender Gerinnungsstörung häufig von einem Eisenmangel betroffen, der Halimeh zufolge auf anovulatorische (abnorme) Uterusblutungen – wie sie vor allem bei jungen Frauen vorkämen – zurückzuführen sei. Dieser könnte am effektivsten durch eine intravenöse Eisensubstitution behoben werden. Falls jedoch eine orale Gabe bevorzugt werde, sollte diese aus Verträglichkeitsgründen nur alle zwei Tage anstatt einmal täglich erfolgen.

Therapie der Hypermenorrhö

Für die Behandlung einer Hypermenorrhö stehen folgende Therapieoptionen zur Verfügung:

  • nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)
  • Desmopressin
  • Mönchspfeffer (Agnus castus)
  • Tranexamsäure (TXA)
  • eine Hormontherapie mit Gestagenen und/oder Estrogenen
  • chirurgische Eingriffe (Ablation)

Agnus castus und TXA

Von allen Optionen am wirksamsten herauskristallisiert haben sich Halimeh zufolge Agnus castus und Tranexamsäure, gerne auch in Kombination. Während Agnus castus das Verhältnis von Estrogen und Progesteron optimiere, entfalte TXA ihre antifibrinolytische Wirkung während der Menstruation. Eingeleitet werde die Therapie mit Mönchspfeffer , der allerdings nicht bei allen Frauen anspricht. Wenn nach vier Monaten keine Verbesserung eintrete, werde Tranexamsäure ergänzt und Mönchspfeffer aufgrund des fehlenden Mehrwerts wieder abgesetzt. Bei Ansprechen kann die Gabe von Agnus castus weiter erfolgen. Falls diese Kombination nach acht Monaten ebenfalls nicht zum Erfolg führe, könne eine Hormontherapie in Erwägung gezogen werden. Das sei aber eher die Ausnahme, so Halimeh. Meist sei die Kombination aus Agnus castus und TXA ausreichend wirksam (bis zu 50%ige Reduktion des Blutverlustes durch TXA), zudem gut verträglich und wenig belastend für die Betroffenen. Die Dosierung von TXA ist abhängig vom Körpergewicht:

  • < 50 kg: 3 x täglich 1 Tablette (à 500 mg)
  • > 50 kg: 3 x täglich 2 Tabletten (à 500 mg)

Patientinnen sollten unbedingt auf die Einnahme am ersten Zyklustag, also mit einsetzender Blutung, die Größe der Tabletten – sie sind ähnlich groß wie einige Antibiotika – und den Nachgeschmack während der Einnahme hingewiesen werden.

Hormonelle Therapie ist eher selten

Alternativ oder additiv kann die Applikation von Progesteron oral oder vaginal zur Behandlung einer Hypermenorrhö erfolgen. Neben reinen Gestagenpräparaten in der zweiten Zyklushälfte werden auch kombinierte Estrogen-Gestagen-Präparate mit Ethinylestradiol oder Estradiolvalerat angewendet. Ein bevorzugtes Präparat gäbe es nicht, die Vorgehensweise entspräche eher dem Motto „try and error“. Das sei vor allem darin begründet, dass es für die Indikation Hypermenorrhö nur zwei zugelassene orale Kontrazeptiva – Zoely® und Qlaira® – gäbe, betonte Halimeh abschließend. Ihrer Meinung nach sollte Agnus castus immer der Vorzug gegeben werden, bevor bei jungen Frauen ein Kontrazeptivum off Label eingesetzt werde. Berücksichtigt werden müsse auch, ob die Linderung der Symptomlast oder ein zusätzlicher Verhütungswunsch bei den Patientinnen im Vordergrund stehe.

Quellen