Die Parkinson-Forschung ist in Bewegung

Vom 24. bis 26. März 2022 fand der Deutsche Kongress für Parkinson und Bewegungsstörungen statt. Im Rahmen der Auftaktpressekonferenz am vergangenen Mittwoch stellten Experten Neuigkeiten zur Therapie, Diagnostik und Versorgung von Menschen mit Parkinson-Syndromen vor.

In Deutschland leben etwa 400.000 Menschen mit einem Parkinson-Syndrom – einem Krankheitsbild mit hoher Variabilität, für die es nach wie vor keine kurative Therapie gibt. Doch das bedeutet nicht, dass es keine Therapieoptionen gäbe. Um rechtzeitig entsprechende Therapien beginnen zu können, muss Parkinson allerdings früh erkannt und klar diagnostiziert werden. Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG e. V.) wurden zahlreiche neue Optionen zur Therapie und Diagnostik vorgestellt.

Fehlgefaltete Proteine als neue Klassifikationsgrundlage?

Morbus Parkinson und die verschiedenen atypischen Syndrome wie Demenz mit Lewy-Körperchen (DLB) oder Progressive Supranukleäre Parese (PSP) unterscheiden sich nicht nur in der klinischen Ausprägung. Zunehmend rücken Fehlfaltungen von Proteinen bei Tauopathien und Synucleinopathien in den Fokus der Forschung, wie Prof. Dr. Günter Höglinger, Hannover, aufzeigte.

Die Synucleinopathie ist gekennzeichnet durch intrazelluläre Ablagerungen fehlgefalteter α-Synuclein-Filamente in Nerven- und Gliazellen. Im Fall der Tauopathien lagern sich abnorme Filamentstrukturen des Tau-Proteins ab. Inzwischen kennt man verschiedene Treibermutationen, auf deren Basis 2021 eine neue Klassifikation der Tauopathien vorgeschlagen wurde.

Wie lässt sich bei einer Vielzahl nichtmotorischer Symptome die Diagnostik vereinfachen?

Noch wird die Parkinson-Krankheit klinisch auf Basis der motorischen Symptome Akinese, Rigor und Tremor diagnostiziert. Allerdings gehen zahlreiche nichtmotorische Symptome mit der Parkinson-Krankheit einher. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Biomarker entdeckt, die eine frühe Diagnose der Parkinson-Erkrankung ermöglichen.

Ein häufiges Symptom ist die Riechstörung. Sie sei mithilfe eines Riechtests einfach festzustellen, so Prof. Dr. Claudia Trenkwalder, Kassel. Ein weiteres typisches Symptom ist eine Störung des Traum-Schlaf-Verhaltens (iRBD): Bereits zehn bis fünfzehn Jahre vor dem Auftreten motorischer Störungen können Patienten lebhafte, bedrohliche Träume haben – Trenkwalder zufolge ein spezifischer Marker für synucleinoide Veränderungen. Auch die mit der Erkrankungung einhergehenden Veränderungen des Darmmikrobioms könnten irgendwann von therapeutischem Interesse sein.

Inzwischen weiß man, dass bereits in der Frühphase der Parkinson-Krankheit in verschiedenen Geweben ein „Alpha-Synuclein-Seeding“ stattfindet. Mit einem Nasenschleimhaut-Biopsat könnte man Alpha-Synucleinopathien frühzeitig mittels RT-QuiC (Real-Time Quaking-Induced Conversion) feststellen, einer Methode zum Nachweis kleinster Mengen fehlgefalteter Proteine. Der Test war bei 63 Patienten mit  iRBD, 41 gematchten Patienten mit Parkinson-Krankheit und 59 Kontrollen mit knapp 90 % zwar recht spezifisch, die Sensitivität betrug allerdings nur 45 %.

In Zukunft könnte Trenkwalder zufolge außerdem die Darstellung von Alpha-Synuclein im Gehirn eine bessere Unterscheidung der einzelnen Parkinson-Syndrome ermöglichen.

Digitalisierung und Vernetzung für die Versorgung nutzen

Prof. Dr. Lars Tönges, Bochum, wies in seinem Vortag auf die regionalen Unterschiede der ambulanten Versorgung in Deutschland hin. In vielen Regionen haben Patienten mit Parkinson keinen Neurologen vor Ort, sondern müssen in Nachbarlandkreise ausweichen. Die Corona-Pandemie könnte als Booster auch für die Parkinson-Versorgung dienen, so Tönges. Telemedizin habe ein großes Potenzial, müsse aber in der Breite umgesetzt werden. Zudem monierte er die schleppende Entwicklung des eRezeptes. Würde man die digitale Entwicklung weiter voranbringen, ließen sich Versorgungslücken schließen.

Als Beispiel für hilfreiche Online-Anlaufstellen nannte Tönges das ParkinsonNetz RheinMain+ und die DPG.

„Es bleiben noch viele Herausforderungen“

Für Patienten mit Parkinson-Syndromen sind derzeit einige neue Arzneimittel in der Entwicklung. Doch was können Menschen tun, die ein erhöhtes Parkinson-Erkrankungsrisisko haben, wenn es bislang noch gar keine Therapiemöglichkeiten für sie gibt? Trenkwalder verwies auf Lifestyle-Anpassungen, die bei „Parkinson-at-risk“ hilfreich sein können. Dazu gehören neben Anpassungen der Ernährung auch intensive Bewegungs- und Sportprogramme, um Bewegungs- und kognitiven Einschränkungen entgegenzuwirken. Auf molekularer Ebene konnten diesbezüglich bereits Effekte gezeigt werden, so Trenkwalder.

Für Interessierte: Digitaler Welt-Parkinson-Tag

Anlässlich des Welt-Parkinson-Tages, der jährlich am 11. April stattfindet, veranstaltet die von der DPG gegründete Parkinson Stiftung am 6. April 2022 ab 15 Uhr einen digitalen Informationstag für Betroffene und Interessierte. In diesem Jahr steht das Thema „Parkinson und Sport“ im Mittelpunkt.

Quelle

DPG Online-Pressekonferenz, 23. März 2022, „Forschung in Bewegung: Neue Erkenntnisse bei Parkinson und Bewegungsstörungen“ im Rahmen des Deutschen Kongresses für Parkinson und Bewegungsstörungen der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG e. V.), virtuell