In einer aktuellen Studie wurde der Wirkstoff Deutetrabenazin zur Behandlung von Tourette-assoziierten Tics bei Kindern und Jugendlichen getestet. Zugelassen ist er bereits in anderen Indikationen. Er bringt eine Besonderheit mit sich, die (noch) sehr selten im therapeutischen Bereich ist: Das Molekül trägt an einigen Stellen Deuterium statt Wasserstoff.
Tetrabenazin und Deutetrabenazin
Der Wirkstoff ist ein Hemmer des vesikulären Monoamintransporters 2 (VMAT2), einem Membranprotein, das dem Transport von Monoaminen dient und in der Pathogenese von Chorea Huntington, Spätdyskinesien oder Morbus Parkinson eine Rolle spielt.
Von der FDA ist der Wirkstoff zur Behandlung von Spätdyskinesien und hyperkinetischen Bewegungsstörungen bei Chorea Huntington bereits zugelassen. In Europa ist sozusagen das Vorgängermodell – Tetrabenazin – verfügbar.
Doch wie unterscheiden sich die beiden Wirkstoffversionen?
Deuterium statt Wasserstoff
Bei Deutetrabenazin sind zwei Methylgruppen des Tetrabenazins deuteriert, also die Wasserstoffatome durch das Isotop Deuterium („schwerer Wasserstoff“) ausgetauscht. Dadurch werden die physikalischen und chemischen Eigenschaften durch den sogenannten Isotopeneffekt verändert.
Es treten andere kinetische Effekte auf. Die Deuterium-Kohlenstoff-Bindung ist weniger polarisierbar als die Wasserstoff-Kohlenstoff-Bindung, van-der-Waals-Kräfte sind geringer ausgeprägt und die molekulare Bindung wird stärker. Um die Bindung zu brechen, wird eine deutlich höhere Aktivierungsenergie benötigt als bei einer Wasserstoff-Kohlenstoff-Bindung.
So wird Deutetrabenazin langsamer verstoffwechselt als Tetrabenazin – es entsteht quasi ein Retardeffekt auf molekularer Ebene.
Durch den Austausch von Wasserstoff und Deuterium können noch andere Eigenschaften verändert sein, die nicht immer vorhersagbar sind.
Deutetrabenazin bei Tourette-Syndrom geeignet?
In einer aktuellen Studie wurde ein neues Indikationsgebiet untersucht: Tourette-assoziierten Tics bei Kindern und Jugendlichen. Es wurde zwar eine numerische Verbesserung auf der Yale Global Tic Severity Scale–Total Tic Score erzielt (primärer Endpunkt), diese war aber nicht signifikant.
Weitere deuterierte Arzneistoffe in der Prüfung
Für einige andere Indikationen werden derzeit deuterierte Arzneistoffe untersucht (Beispiele):
- Deuteriertes Vitamin A bei einer Form der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) (Reduzierung der Dimerisierung von Vitamin A, die möglicherweise an der Entstehung der Erkrankung beteiligt sind)
- Deuteriertes Ivacaftor bei Zystischer Fibrose
- Deuteriertes Dextromethorphan (in Kombination mit Chinidin) bei verschiedenen neurologischen Indikationen (z.B. Agitation bei Alzheimer-Patienten) – Chinidin erhöht als CYP2D6-Hemmer die Bioverfügbarkeit von Dextromethorphan, durch die Deuterierung scheint die Halbwertszeit verlängert und das Passieren der Blut-Hirn-Schranke erleichtert.