Schon seit einiger Zeit geistert ein Virus durch die Medien, das derzeit vermehrt für Krankenhauseinweisungen bei Kindern sorgt und schwere Atemwegserkrankungen hervorrufen kann. Nein – es ist nicht Corona und auch kein neuer SARS-Abkömmling, sondern ein alter Bekannter: RSV. Doch was ist das eigentlich? Und wie kann man sich schützen? Wir beantworten 7 Fragen zu dem Erreger.
1. Was ist das „Respiratorische Synzytial-Virus“?
Das „Respiratorische Synzytial-Virus“ (RSV) ist weltweit verbreitet und gehört zu den bedeutendsten Auslösern von Atemwegsinfektionen bei Säuglingen. In Saisonalität und Symptomatik ähneln RSV-Infektionen Influenza, heißt es auf den Seiten des Robert Koch-Instituts.
Die Übertragung erfolgt vor allem durch Tröpfcheninfektion, diskutiert werden auch indirekte Übertragungen über kontaminierte Hände oder Oberflächen.
Vermutlich sind RSV-Infektionen bei Erwachsenen unterdiagnostiziert, auch wegen der grippeähnlichen Symptome.
2. Wer ist besonders von der RSV-Infektion betroffen?
Eines vorweg: Fast jeder hatte schon einmal eine RSV-Infektion.
Betroffen sind vor allem Frühgeborene und Kleinkinder. Schätzungen zufolge liegt die Inzidenz für RSV-Atemwegserkrankungen im ersten Lebensjahr weltweit bei 48,5 Fällen pro 1000 Kindern und 5,6 schweren Fällen pro 1000 Kindern.
Innerhalb des 1. Lebensjahres haben 50 bis 70% und bis zum Ende des 2. Lebensjahres nahezu alle Kinder mindestens eine Infektion mit RSV durchgemacht, so das RKI. Es besteht jedoch keine langfristige Immunität und besonders bei Erwachsenen mit regelmäßigem Kontakt zu Kleinkindern treten Reinfektionen auf.
Risikopatienten für schwere Verläufe sind Frühgeborene, Kinder mit pulmonalen Vorerkrankungen wie bronchopulmonaler Dysplasie, zystischer Fibrose oder neurologischen bzw. muskulären Erkrankungen mit eingeschränkter Ventilation, Kinder mit Herzfehlern mit vermehrter Lungendurchblutung, Erwachsene mit kardialen oder pulmonalen Vorerkrankungen sowie immundefiziente und -supprimierte Personen.
Reinfektionen kommen in jedem Lebensalter vor.
3. Gibt es keine Impfung?
Es gibt derzeit keine akive Immunisierungen, doch es sind verschiedene Impfstoffe in der Entwicklung.
4. Wie kann man einer Infektion vorbeugen?
Neugeborene und junge Säuglinge sind in den ersten vier bis sechs Lebenswochen durch diaplazentar übertragene Antikörper vor einer RSV-bedingten Erkrankung weitgehend geschützt. Frühchen hingegen haben weniger mütterliche Antikörper und können in den ersten Lebenswochen bereits schwer an einer RSV-Infektion erkranken.
Pädiatrischen Risikopatienten steht mit Palivizumab (Synagis®, PDF) seit mehr als 20 Jahren eine passive Immunisierung zur Verfügung. Der monoklonale Antikörper wird während der RSV-Saison monatlich i.m. appliziert. Die pädiatrischen Fachgesellschaften empfehlen das Präparat bislang jedoch nur für ausgewählte Risikogruppen.
Weitere passive Antikörper sind in der Entwicklung. Eine spezifische Chemoprophylaxe existiert bislang nicht.
Somit hat das Vermeiden nosokomialer RSV-Infektionen dem RKI zufolge höchste Priorität:
Daher sind Hygiene- und Schutzmaßnahmen in Arztpraxen und Krankenhäusern wichtig. Medizinisches Personal sollte bei Patientenkontakt Schutzkittel, Einmalhandschuhe und geeigneten Atemschutz tragen, um einer Virusinokulation über die Schleimhäute und einer weiteren Virenübertragung vorzubeugen.
5. Wie äußert sich eine RSV-Infektion?
Das Symptomspektrum reicht von asymptomatischen Verläufen über einfache Atemwegsinfektionen bis zu schweren beatmungspflichtigen Erkrankungen. Die Erkrankung kann auf die oberen Atemwege beschränkt sein, sich aber – vor allem bei Säuglingen in den ersten Lebensmonaten – als Bronchiolitis, Pneumonie oder Tracheobronchitis äußern. Ein keuchhustenähnliches Krankheitsbild tritt bei etwa 5% der Fälle mit Beteiligung der unteren Atemwege auf. Fieber ist häufig, sagt jedoch nicht unbedingt etwas über die Krankheitsschwere aus.
Typischerweise werden zuerst Symptome einer Erkrankung der oberen Atemwege beobachtet, darunter Schnupfen, nichtproduktiver Husten und eventuell Pharyngitis. Sie können innerhalb von ein bis drei Tagen zu Symptomen unterer Atemwegserkrankungen fortschreiten: Der Husten wird deutlicher und produktiver, die Atemfrequenz steigt und es kann zu Dyspnoe kommen. Typisch sind zudem Zeichen einer exspiratorischen Obstruktion.
6. Lässt sich RSV therapieren?
Es gibt keine wirksame kausale Behandlung der RSV-Infektion; die Therapie ist symptomatisch: ausreichende Flüssigkeitszufuhr zur Sekretmobilisation und Freihalten des Nasopharynx mit NaCl-Nasenspülungen oder -tropfen.
Je nach individuellem Zustand des Patienten können Sauerstoffgaben, Atemunterstützung oder Intubation und Beatmung erforderlich werden.
7. Warum wird eine erhöhte RSV-Welle erwartet?
Ganz allgemein ist es bei RSV üblich, dass auf ein Jahr mit eher leichten Verläufen ein Jahr mit schwereren folgt.
Ebenso wie bei der Influenza wird dieses Jahr aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen und den damit verbundenen Kontaktbeschränkungen von einer schwereren RSV-Welle als in den Jahren zuvor ausgegangen: Kita-Schließungen und Social Distancing führten bereits im vergangenen Winter dazu, dass die natürliche Stimulation des Immunsystems weitgehend ausblieb.
So haben die pädiatrischen Gesellschaften in Deutschland bereits im September empfohlen, die RSV-Prophylaxe vorzuziehen.
Quellen
- Lungeninformationsdienst: RS-Virus
- RKI-Ratgeber. Respiratorische Synzytial-Virus-Infektionen (RSV)
- SWR. „RSV-Infekt bei Kindern: Derzeit 40 Prozent mehr in Stuttgarter Notaufnahme“ vom 22.10.21