Das Parasitenmedikament Ivermectin wurde in der letzten Zeit als Therapieoption bei COVID-19 propagiert. Laut einem aktuellen Cochrane-Review finden sich jedoch keine überzeugenden Studiendaten, die diese Hoffnung stützen würden.
Ein Wirkstoff mit Nobelpreis …
Der Wirkstoff Ivermectin wirkt gegen Parasiten wie Würmer, Milben und Läuse. Er steht seit Langem auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation WHO und für seine Entwicklung erhielten William C. Campbell und Satoshi Ōmura 2015 den Medizin-Nobelpreis.
Im April 2020 hatte eine australische Laborstudie ergeben, dass Ivermectin in Zellkulturen – in einer weit über der für Menschen zugelassen Dosis – die Vermehrung von SARS-CoV-2 hemmen kann. Seitdem setzen sich Lobbygruppen für den Einsatz von Ivermectin in der Behandlung von COVID-19 ein. Vor allem in Südamerika begannen viele Menschen auf eigene Initiative mit der Einnahme von Ivermectin – ohne Evidenzbasis, wie Cochrane berichtet. Aber auch in Österreich gab es einen Run auf das Arzneimittel.
Inzwischen gibt es einige abgeschlossene klinische Studien zu Ivermectin bei COVID-19. Die Evidenz aus diesen Studien wurde nun in einem Cochrane-Review bewertet.
… aber kein Allheilmittel gegen COVID-19
Die Autorengruppe aus Deutschland und England suchte dazu systematisch nach randomisierten kontrollierten Studien, in denen der Einfluss einer Ivermectin-Behandlung auf Sterblichkeit und Schwere der Erkrankung oder die Länge des Krankenhausaufenthaltes sowie eine eventuelle vorbeugende Wirkung untersucht wurde. Ausgeschlossen wurden Studien mit hohem Verzerrungspotenzial sowie eine Studie, die wegen Fälschungsverdachts zurückgezogen worden war. 14 Studien mit insgesamt 1678 Teilnehmern entsprachen den Kriterien, davon eine, die sich mit der Vorbeugung von COVID-19 beschäftigte.
Die Ergebnisse der Studien waren zwar größtenteils positiv, hielten der wissenschaftlichen Überprüfung jedoch nicht stand: Verglichen mit Placebo oder einer Standardbehandlung zeigte Ivermectin keinen Vorteil bezüglich Sterberisiko oder klinischem Zustand. Auch zu einer vorbeugenden Wirkung von Ivermectin ließen sich keine Aussagen machen. Die Vertrauenswürdigkeit der vorhandenen Evidenz war niedrig bis sehr niedrig, da die vorliegenden Studien zu klein waren und Mängel im Studiendesign, in der Durchführung sowie in der Berichterstattung aufwiesen.
Weitere Studien sind nötig
Die Ergebnisse sind den Autoren zufolge eindeutig und rechtfertigen keine Verwendung von Ivermectin zur Behandlung oder Vorbeugung von COVID-19. Die Wissenschaftler setzen sich für die Durchführung weiterer, qualitativ hochwertiger Studien ein, um evidenzbasierte Aussagen zu Wirksamkeit und Sicherheit von Ivermectin treffen zu können.
„Eine sicherere Einschätzung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von Ivermectin gegen COVID-19 wird erst möglich sein, wenn derzeit noch laufende größere Studien abgeschlossen sind. Sobald dies der Fall ist, werden wir unseren Review aktualisieren.“
Dr. Stephanie Weibel und Dr. Maria Popp, Würzburg
Quellen
- Popp M, et al. Ivermectin for preventing and treating COVID‐19. Cochrane Library, https://doi.org/10.1002/14651858.CD015017.pub2
- Pressemitteilung von Cochrane Deutschland vom 28. Juli 2021
- Pressemitteilung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg vom 28. Juli 2021