Kopf und Bauch – im Team unschlagbar

Richtig gute Entscheidungen werden nur im Zusammenspiel aus Verstand und Intuition getroffen. Warum das so ist und wieso künstliche Intelligenz uns das nicht abnehmen kann, erfuhren die Teilnehmer des diesjährigen wissenschaftlichen Kongresses der ADKA im Vortrag „Kopf oder Bauch – Richtig entscheiden in Zeiten von Big Data“.

Künstliche Intelligenz entscheiden lassen?

Der Mensch trifft über 100.000 Entscheidungen am Tag, die meisten davon jedoch unbewusst. Oft ist es nicht der Verstand, sondern das Bauchgefühl, das den Ausschlag gibt.

Künstliche Intelligenz kann besser mit großen Datenmengen umgehen als das menschliche Gehirn und in einer Vielzahl von Informationen Zusammenhänge erkennen (Mustererkennung). Damit wird eine eigene Entscheidung aber nicht überflüssig, denn das menschliche Gehirn vermag wiederum etwas, an dem die künstliche Intelligenz scheitert: Es kann Kontexte erkennen, Sinnhaftigkeit herstellen und Scheinkorrelationen entlarven.

Im Gegensatz dazu kamen Maschinen beispielsweise zu dem Ergebnis, dass Speiseeis Sonnenbrand verursacht oder Margarine-Esser öfter heiraten (Korrelation vs. Kausalität). Auch der folgende Text ist für eine Maschine schwerlich, für einen Menschen jedoch relativ problemlos zu lesen.

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Erfahrung ist das wahre Wissen

Viel öfter als rein aus Vernunft wird aus dem Bauch heraus, also intuitiv entschieden. Diese Intuition entsteht aus Erfahrung.

Jeder Mensch hat dafür eine eigene Erfahrungsbibliothek (zuständig ist dafür der Hippocampus), in der Erlebnisse abgespeichert werden. Bei jeder neuen Erfahrung gleicht das Gehirn diese mit der Bibliothek auf der Suche nach ähnlichen Situationen aus der Vergangenheit ab. Gibt es Abweichungen, schlägt das Cingulum (Aha-Effekt) Alarm. Dies geschieht jedoch unbewusst und die Entscheidung wird nicht im Kopf, sondern im Bauch gefällt.

Intuition ist die Reaktivierung einer in der Vergangenheit gemachten Erfahrung

Expertise ist also echte, eigene Erfahrung und nicht nur zu wissen, wo etwas steht.

Entscheidungen ausgelagert

In Zeiten von Digitalisierung und Technikaffinität ist diese Art des Wissens in Gefahr. Viele verlassen sich zu sehr auf technische Helferlein, statt eigene Erfahrungen zu sammeln und Wissen anzuhäufen.

So ist beispielsweise die Zahl der Pilzvergiftungen im Bayerischen Wald gestiegen, weil mehr Sammler mit Pilz-App als echte Pilzkenner unterwegs sind. Hebammen beklagen, dass junge Mütter Stillzeiten anhand von Still-Apps festlegen statt ihr Kind zu beobachten und zu merken, wann es wirklich Hunger hat. Auch lässt sich mit einer Eierkoch-App anhand verschiedener Daten (Gewicht des Eis, Temperatur des kochenden Wassers wird anhand der Höhe über dem Meeresspiegel berechnet, Timer meldet sekundengenau die Kochzeit) ein perfektes Frühstücksei zaubern, ein guter Koch wird man so sicher nicht. Wer sich an Loriot erinnert, weiß, sowas hat „eine Hausfrau im Gefühl“ (Video).

Entscheidungen reflektieren, besser werden

Mit einem knappen Drittel unserer Bauchentscheidungen liegen wir falsch. Das Tröstliche: wir können besser werden. Dazu muss man sich nur regelmäßig mit seinen Entscheidungen auseinandersetzen und diese reflektieren. Fehler und Fehlentscheidungen erlauben, etwas zu lernen und den Erfahrungsschatz zu vergrößern. So liegt dann auch das Bauchgefühl öfter richtig.

Sicher entscheiden

Wirklich gute Entscheidungen zu fällen, fußt also auf drei Säulen:

  • Kopf: Argumente beschaffen – Wir brauchen Fakten, aber denken nicht vergessen.
  • Erfahrungen machen und so aus der Intuition schöpfen.
  • Entscheidungen reflektieren und aus Fehlern lernen.

Quelle

Prof. Dr. Volker Busch „Kopf oder Bauch – Richtig entscheiden in Zeiten von Big Data“. 46. Wissenschaftlicher Kongress der ADKA, virtuell vom 6. bis 8. Mai. Vortrag.