Im Oktober 2020 soll Iberogast® Advance auf den Markt kommen. Laut Bayer Vital gibt eine Vielzahl von Iberogast®-Studien. Ich habe mir angeschaut, worauf die Zulassung tatsächlich basiert.
Was ist neu an Iberogast® Advance?
Bereits 2005 steht das Präparat Iberogast® wegen leberschädigender Wirkungen in der Kritik. Aber erst 2018 war Bayer Vital bereit, einen entsprechenden Warnhinweis aufzunehmen. Bayer Vital sah bisher auch keine Veranlassung, eine Schöllkraut-freie Variante umzusetzen.
Nun soll doch ein neues Präparat (Iberogast® Advance) auf den Markt kommen (ohne Schöllkraut, Angelikawurzel und Mariendistel).
In seiner Pressemeldung schreibt Bayer Vital:
Welches der Präparate auch zum Einsatz kommt, auf die wissenschaftlich nachgewiesene Wirksamkeit und Sicherheit können sich Verbraucher bei beiden Produkten, Iberogast® und Iberogast® Advance, verlassen. Mit seiner Vielzahl an Studien und über 90 Millionen Anwendern gehört Iberogast® sogar zu den weltweit am besten untersuchten pflanzlichen Arzneimitteln.
Worauf basiert die Zulassung?
Ich war zunächst verwundert, warum man im neuen Präparat nicht einfach nur auf Schöllkraut verzichtet. Der Hersteller begründet dies so:
Die Dosierung beruhigender Heilpflanzenextrakte – Kamillenblüten, Pfefferminzblätter, Kümmelfrüchte und Melissenblätter – wurde in der Produktvariante gegenüber der originalen Zusammensetzung um 50 bis 100 Prozent erhöht.
Iberogast® Advance soll besonders Beschwerden wie „Überempfindlichkeiten und Entzündungen in Magen und Darm“ adressieren. Der Grund für die Markteinführung sei nicht die Sicherheitsdiskussion um Schöllkraut.
Iberogast® Advance basiert auf der Zulassung von Iberogast® N, welches bereits 2010 zugelassen wurde (damals noch unter Steigerwald).
Es handelt sich um eine gemischte Zulassung eines pflanzlichen Arzneimittels. Die Zulassung basiert also nicht nur auf eigenen Untersuchungen zum Arzneimittel, sondern auch auf Literaturdaten (bibliographische Daten). Als Wirksamkeitsnachweis reichte die Firma eine klinische Studie bei Patienten mit Dyspepsie (n = 272) und eine bei Patienten mit Reizdarm (n = 208) ein. Beide waren randomisiert und doppelt verblindet.
Nach 8 Wochen lag die Responderrate der Dyspepsie-Patienten in der Iberogast-N-Gruppe bei 61,2% und in der Placebo-Gruppe bei 45,1%.
Bei den Patienten mit Reizdarm zeigte sich nach 4 Wochen im Symptomscore und im Schmerzsummenscore eine signifikante Verbesserung gegenüber Placebo.
Kommentar
Tatsächlich ist die Studienlage im Vergleich mit vielen anderen pflanzlichen Arzneimitteln erstaunlich gut. Zumindest die Studie bei Patienten mit Reizdarm wurde auch in einem Journal mit Review-Verfahren publiziert. Bei der zweiten Studie habe ich die Originalpublikation auch nach langer Suche nicht gefunden.
Trotzdem würde ich mir wünschen, dass man sich mit Marketing-Aussagen zurückhält, die suggerieren, Bayer Vital hätte ein neues Medikament entwickelt, dessen Wirksamkeit in unzähligen Studien und bei Millionen von Anwendern nachgewiesen wäre. In der Tat existieren viele Anwendungs- und Beobachtungsstudien mit Iberogast®. Aber auf diesen basiert nicht die Zulassung von Iberogast® Advance. Das BfArM kommt jedoch sicher zu Recht zu dem Schluss, dass man von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis von Iberogast® N (bzw. Iberogast® Advance) ausgehen kann.
Es bleibt nur zu hoffen, dass Bayer Vital sein neues Präparat so positioniert, um die Schöllkraut-Variante (trotz anderslautender eigener Aussagen) bald vom Markt zu nehmen. Diese kann aus meiner Sicht kein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis haben.
Quelle
Öffentlicher Bewertungsbericht „Iberogast N“ unter www.pharmnet-bund.de.