Polypillen sind eine einfache und billige Strategie, kardiovaskulären Ereignissen vorzubeugen. Allerdings vertragen sie sich nicht mit dem modernen Konzept der Präzisionsmedizin – eine Therapie am Scheideweg.
Unterschiedliche Wege beschreiten
Zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen bzw. Ereignisse werden seit Jahren erfolgreich kostengünstige Arzneimittel wie Cholesterin- und Blutdrucksenker in individuellen Kombinationen eingesetzt. Selten sind bisher sogenannte Polypillen, die in der Regel beide Wirkstoffgruppen und gegebenenfalls auch noch ASS zur Sekundärprävention enthalten. Damit erhalten alle Patienten die gleichen Wirkstoffe in gleicher Dosierung.
Ein völlig anderer Ansatz ist die Präzisionsmedizin, die eine viel individuellere Therapie ermöglicht.
Wieso Polypille?
Befürworter argumentieren mit einfachen Regimen, die dementsprechend hohe Adhärenz erwarten lassen und zudem kostengünstig sind. So könnten große Teile der betroffenen Bevölkerung erreicht werden. Einige Studien zeigen einen Vorteil gegenüber Standardtherapien.
Zudem gehe es nicht darum – wie von Gegnern der Polypille manchmal angeführt – pauschal jeden ab einem gewissen Alter damit zu therapieren, sondern nach wie vor nur diejenigen, die eine entsprechende Indikation haben. Die Polypille verschließe auch keine Türen zu weiteren Arzneimitteln, wenn diese nötig sind. Dann könne sie schlicht als Basistherapie dienen.
Damit diese Polypillen häufiger verordnet werden, sollten Vorurteile entkräftet bzw. Fehleinschätzungen korrigiert, denn anscheinend gebe es keine generellen Vorbehalte gegen Fixdosisregime. Diese sind beispielsweise bei HIV, Tuberkulose oder Malaria seit vielen Jahren Standard.
Ist Präzisionsmedizin besser?
Kritiker der Polypille wenden ein, dass eben doch häufig Übertherapie stattfinde, wenn die individuellen Faktoren nicht ausreichend berücksichtigt würden und das Risiko für Nebenwirkungen somit steige. Zudem sei die häufigste Kombination – auch wenn es mittlerweile modernere Entwicklungen gibt – ein niedrigpotentes Statin in niedriger Dosierung und mehrere Blutdrucksenker.
Die Präzisionsmedizin dagegen versorgt nicht alle Patienten nach dem Gießkannenprinzip, sondern kann durch zusätzliche Identifikation von genetischen Risikofaktoren eine exakter zugeschnittene Therapie ermöglichen. Durch Messung von genetische Faktoren kann das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse besser eingeschätzt werden: So kann beispielsweise ein Patient ein niedrigeres Risiko haben, als konventionell messbare Parameter wie Blutdruck oder -zucker vermuten lassen. Dementsprechend kann die Behandlung individuell angepasst werden. Nachteilig sind die Kosten für solche Verfahren.
Studien fehlen
Es gibt zwar zu beiden Ansätzen Untersuchungen, aber keine Studie, die beide miteinander vergleicht. Eine solche Studie würde dringend benötigt, so ein Kommentator im aktuellen JAMA, um zu klären, welche Richtung eingeschlagen werden müsste. Sie müsste groß angelegt sein, harte Endpunkte wie kardiovaskuläre Ereignisse und Sterblichkeit untersuchen und neben den beiden neueren Wegen auch einen Kontrollarm mit Standardtherapien einbeziehen.
Bis eindeutig geklärt ist, welche Option den größeren Vorteil bietet, bleibt beides möglicherweise Randgruppen vorbehalten und der Rest wird weiterhin mit Standardarzneimitteln in individuellen Kombinationen behandelt.