Neues zu Arzneimittelallergien

NIFA, DRESS oder DIES – neue Klassifikationen und Krankheitsbilder rund um Arzneimittelunverträglichkeiten waren Thema des Allergo Updates 2024.

Klassifikation nicht ausreichend?

Die Klassifikationen von Arzneimittelüberempfindlichkeiten sind komplex, sie werden kontrovers diskutiert und teilweise nicht verstanden, beschrieb Prof. Bettina Wedi, Hannover, im Rahmen des Allergo Update 2024 in Berlin. So werden beispielsweise bei der NSAR-induzierten UAW exazerbierte Reaktionen bei vorliegender Grunderkrankung von induzierten Reaktionen unterschieden.

Eine italienische Studie konnte zudem Unverträglichkeitsreaktionen aufgrund einer vorher nicht klinisch bestätigten Nahrungsmittelallergie bei Einnahme eines NSAR zuordnen. Die Studienautoren schlagen daher zwei neue Klassifikationen vor: die NSAR-exazerbierte Nahrungsmittelallergie (NEFA) und die NSAR-induzierte Nahrungsmittelallergie (NIFA). Bei einem Teil der untersuchten Patienten kam es auch in der darauffolgenden Provokation erst in Kombination mit dem allergenen Nahrungsmittel zu einer Unverträglichkeitsreaktion gegenüber NSAR bzw. die Nahrungsmittelallergie war vorher nicht klinisch manifestiert und wurde durch die NSAR-Einnahme induziert. Besonders oft kamen diese Zusammenhänge bei einer Sensibilisierung gegenüber Pfirsichproteinen vor, wie sie in südeuropäischen Ländern nicht selten vorkommt.

Die Rolle des Mastzellrezeptors

Prof. Wedi sprach bezüglich der Rolle des oft zitierten Mastzellrezeptors (MAS-related G protein coupled receptor, MRGPRX2) bei pseudoallergischen Reaktionen von einer noch lückenhaften klinischen Evidenz. Derzeit belegen lediglich in-vitro- und Tiermodelle dessen mögliche Bedeutung. Es sei allerdings zu beobachten, dass bei Sofortreaktionen auf Arzneimittel häufig Menschen mit einer diagnostizierten Mastozytose betroffen seien. Diese Erkrankung spielt insbesondere bei arzneimittelinduzierten Anaphylaxien eine Rolle: also ein weiterer Hinweis. Die Frage, auf welche Wirkstoffe diese Patienten häufig reagieren, ist ebenfalls noch ungeklärt. Antibiotika scheinen es zumindest nicht zu sein, wie eine weitere Studie ergab.

CRS, DRESS und DIES

Cytokine release syndrom (CRS) heißt ein relativ neuer Typ von Unverträglichkeitsreaktionen. Die Freisetzung des Markers Interleukin 6 (IL-6) ohne gleichzeitigen Anstieg von Tryptase kennzeichnet diese Soforttypreaktion. Das CRS tritt häufig bei Zytostatika- und CAR-T-Zell-Therapien auf. Vor dem Hintergrund dieser häufiger angewendeten Therapien sind Lösungen gefragt. Hier scheint Metoprolol gute Effekte zu erzielen, ohne die Wirksamkeit der eigentlichen Krebstherapie zu beeinträchtigen. In Untersuchung ist daneben ein thermoregulierter Hydrogelschwamm, der IL-6 abfangen soll.

Neue Erkenntnisse zum DRESS-Syndrom (drug reaction with eosinophilia and systemic symptoms) gibt es ebenfalls. Mittlerweile sind einige Komponenten zur Pathophysiologie bekannt, unter anderem genetische Varianten und T-Zell-vermittelte Entzündungen. Positive therapeutische Effekte zeigt der Einsatz von Dupilumab sowie Omalizumab, mit denen die sonst oft sehr hoch und langfristig erforderlichen Glucocorticoide eingespart werden können.

Eine ganz neue Klassifikation mit bisher elf beschriebenen Fällen stellt das Drug induced enterocolitis syndrome (DIES) dar. Hierbei reagieren Patienten, meist Kinder, auf Amoxicillin, sowohl als Monotherapie als auch zusammen mit Clavulansäure, sowie auf Pantoprazol und Paracetamol. Die Symptome, hauptsächlich Erbrechen und Magenschmerzen, treten ein bis vier Stunden nach der Arzneimitteleinnahme auf. Sie treten ohne IgE-vermittelte Soforttypsymptome und ohne Tryptase-Anstieg auf; vermutlich steckt eine T-Zell-Vermittlung dahinter.

Zusammenfassend sprach Wedi von interessanten Entdeckungen, die aber erst noch Bestätigung benötigen. Bis dato könne man noch keine Änderungen von therapeutischen Strategien vornehmen. Für die Praxis verwies die Expertin auf die S2k-Leitlinie „Allergologische Diagnostik von Überempfindlichkeitsreaktionen auf Arzneimitteln“ von 2023 sowie weitere Positionspapiere.

Quelle

Prof. Dr. med. Bettina Wedi, Hannover. Allergo Update 2024, Berlin. „Medikamentenallergien“ (Vortrag am 1. März 2024).

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