GLP-1-Rezeptoragonisten: Chancen und Herausforderungen

Dulaglutid, Liraglutid und Semaglutid erfahren als „Abnehmspritzen“ eine große mediale Aufmerksamkeit. Experten diskutierten auf der Jahrespressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), was das für Patienten und Apotheker bedeutet.

Zugelassen für Diabetes und Adipositas

GLP-1-Rezeptoragonisten wie Dulaglutid, Liraglutid und Semaglutid sind seit einigen Jahren für die Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen. Seit Juli 2023 besteht diese Therapieoption in Deutschland auch für Patienten mit Adipositas, konkret bei einem Body Mass Index (BMI) ab 30 kg/m2 bzw. ab einem BMI von 27 kg/m2 und kardiovaskulärem Risiko. Ein Ziel der Therapie ist neben den positiven Auswirkungen auf den Blutzucker auch die Reduzierung von Komplikationen und kardiovaskulären Risiken infolge der Diabetes- bzw. Adipositaserkrankung.

Trotz guter Erfolge dieser Wirkstoffe kann deren Einsatz dennoch keine alleinige Maßnahme sein, betonte Prof. Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK), im Rahmen der Jahrespressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).

Es gibt keine Wunderpille, mit der man weitermachen kann wie bisher. Die Behandlung sollte in ein Gesamtkonzept eingebettet sein, das Lebensstiländerungen wie Ernährungsumstellung und körperliche Aktivität beinhaltet.

Riesige Nachfrage

Schulz thematisierte in diesem Zusammenhang den enormen weltweiten Anstieg der Nachfrage für diese „Abnehmmittel“. Die Hersteller können momentan den Bedarf nicht decken, so seien Lieferengpässe und Fälschungen mit erheblichen Risiken für potenzielle Anwender entstanden.

Eine echte Katastrophe für Menschen, die sich auf die Therapie verlassen wollen und müssen.

Ein großes Problem sei außerdem ein zunehmender Gebrauch außerhalb der Zulassung, das heißt bei Adipositas und nicht bei Diabetes auch mit unüblichen Verordnungen (Privatrezepte, Menge, Facharztgruppe) oder gefälschten Rezepten. Die Studienergebnisse bezüglich Sicherheit und Nutzen-Risiko-Profil entstammen Langzeitstudien mit Diabetikern, erläuterte Schulz weiterhin. Daher sollte bei Stoffwechselgesunden die Behandlung nur in ärztlicher Begleitung erfolgen.

Wie auf dem Schwarzmarkt und im Drogenhandel

Konsequenzen dieses nicht bestimmungsgemäßen Gebrauchs und der Lieferengpässe: Menschen mit Diabetes, die auf diese Arzneimittel gut eingestellt sind, können nicht sicher versorgt werden, gegebenenfalls sind Umstellungen notwendig. Oder Patienten können trotz Indikation bis auf Weiteres nicht neu auf GLP-1-Rezeptoragonisten eingestellt werden. Teilweise nähmen Patienten enorme Wege in Kauf, um irgendwo noch verfügbare Einheiten zu erwerben. Das Ziel sei hier, mindestens eine zweiwöchige Versorgung zu gewährleisten.

Zudem stellte Schulz die Einordnung seitens der Krankenkassen als Lifestyle-Arzneimittel infrage. Dadurch können sich nicht alle Patienten, die die Indikation erfüllen, die GLP-1-Rezeptoragonisten überhaupt leisten.

Mehraufwand für Apotheken

Bisher sei in Deutschland zum Glück keine gefälschte Ware an einen Patienten gegeben worden. Doch das tägliche Management ist laut Meinung des Experten für Apotheken mit erheblichem Aufwand verbunden: Sie sind aufgefordert, bei Wareneingang jede Ozempic®-Packung (Semaglutid) auf eine mögliche Fälschung hin zu prüfen. Auch der Beratungs- und Aufklärungsbedarf bei den Patienten und Angehörigen sei enorm. Zudem ist die Auswirkung eines möglichen Vertrauensverlustes gegenüber der Arzneimittelversorgung, insbesondere der Apotheken, nicht zu unterschätzen, gab Schulz zu bedenken.

Es ist eine besondere Informations- und Beratungsleistung des pharmazeutischen Personals gefordert, um das sensible Vertrauen der Patienten in ihre Medikation nicht zu gefährden.

Der regelmäßig tagende Beirat des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erinnerte nach §52b AMG bereits 2023 an die indikationsgerechte Anwendung der GLP-1-Rezeptoragonisten zur Gewährleistung der bedarfsgerechten Versorgung von Patienten mit Typ-2-Diabetes und forderte:

  • Die verordnete Menge soll den Bedarf für drei Monate nicht übersteigen
  • Kein Off-Label-Use (Verordnungen auf Privatrezepten nur mit konkreter Angabe einer zugelassenen Indikation)
  • Keine Abgabe auf Arztausweis

Quelle

Prof. Dr. Martin Schulz. Abnehmspritze: Zu Risiken und Lieferschwierigkeiten bei der unsachgemäßen Verwendung von Diabetesmedikamenten. Jahrespressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) am 22.02.2024.