Ursprünglich vor allem in den 60er-Jahren für manchen Drogenrausch verantwortlich, könnten halluzinogene Pilze neue Therapiemöglichkeiten schaffen. So wird der Inhaltsstoff Psilocybin in verschiedenen Indikationen getestet.
Hippidroge auf neuen Wegen
Halluzinogene Pilze oder auch Magic Mushrooms sind Pilze, die Psilocin und sein Prodrug Psilocybin enthalten. Die meisten gehören zur Gattung der Kahlköpfe (griech. „Psilocybe“). Ursprünglich vor allem als „Hippiedroge“ bekannt, könnten die Zauberpilze bzw. ihre Inhaltsstoffe neue Einsatzgebiete bekommen. Einerseits scheinen sie zwar auch als Droge wieder an Bedeutung zu gewinnen, andererseits werden sie seit Jahren für die medizinische Nutzung erforscht.
Die Inhaltsstoffe haben eine bewusstseinsverändernde Wirkung. Der Zustand nach Konsum ähnelt einem LSD-Rausch, ist aber von kürzerer Dauer. Es kann unter anderem zu veränderten Sinneswahrnehmungen wie intensivem Farbsehen und verändertem Zeitgefühl, aber auch zu Euphorie, Schwindel und gesteigertem Antrieb kommen. Die Empfindungen können jedoch auch in einen sogenannten Horrortrip münden.
Wie man diese Eigenschaften medizinisch nutzen könnte, ist Gegenstand mehrerer Untersuchungen. Verwendet wird hier nicht der ganze Pilz, sondern der Inhaltsstoff Psilocybin.
Psilocybin als Arzneimittel geeignet?
Migräne
Die Wirksamkeit von Psychedelika bei Kopfschmerzen wird schon seit vielen Jahren beschrieben, systematische Untersuchungen gab es bisher jedoch wenig. In einer Proof-of-concept-Untersuchung wurde nun gezeigt, dass Psilocybin bei Migräne helfen könnte.
Nach einmaliger Dosis war die Zahl der Migränetage unter Psilocybin im Vergleich mit Placebo signifikant gesunken, ebenso wie die Schmerzintensität. Nun werden größere Studien benötigt, um die Wirksamkeit zu bestätigen.
Depressionen
In einer aktuellen Phase-II-Studie mit 104 Patienten mit Major Depression wurde die Wirksamkeit von Psilocybin untersucht. Die Patienten erhielten entweder eine einzelne Dosis des Wirkstoffs (25mg) oder Niacin in der Vergleichsgruppe. Gemessen wurde die Veränderung des MADRS-Scores bis Tag 43 (Montgomery-Asberg Depression Rating Scale, höhere Werte bedeuten eine schwerere Symptomatik).
Verglichen mit Niacin zeigten Patienten unter Psilocybin eine signifikante Reduktion des MADRS-Scores um 12,3 Punkte an Tag 43. Die Rate an unerwünschten Ereignissen war höher als unter Niacin, allerdings traten keine scherwiegenden therapieassoziierten Nebenwirkungen auf. Am häufigsten gaben die Patienten Kopfschmerzen an.
Der Effekt von Psilocybin bei Depressionen könnte möglicherweise damit erklärt werden, dass im psychedelischen Rausch Hirnareale voneinander entkoppelt und neue Verknüpfungen geschaffen werden. In Kombination mit Verhaltenstherapie könnte der (einmalige) Trip helfen, festgefahrene Denkmuster zu durchbrechen. Wichtig ist die therapeutische Begleitung, in keinem Fall sollten Patienten selbst mit Pilzen experimentieren.
Quelle
Schindler EAD. The Potential of Psychedelics for the Treatment of Episodic Migraine. Curr Pain Headache Rep 2023;27:489–95. doi: 10.1007/s11916-023-01145-y.
Raison CL, et al. Single-Dose Psilocybin Treatment for Major Depressive Disorder – A Randomized Clinical Trial. JAMA 2023;330:843–53. doi:10.1001/jama.2023.14530