Die Trigeminusneuralgie zählt zu den unterversorgten Kopfschmerzarten. Die neue Behandlungsleitlinie soll die Diagnose und Therapie verbessern.
Schwerwiegend, aber oft nicht erkannt
Die Trigeminusneuralgie ist ein chronischer Gesichtsschmerz. Der Trigeminusnerv ist für die Gefühlswahrnehmung des Gesichts, der Schleimhäute in Mund und Nase sowie der Hornhaut verantwortlich, außerdem steuert er motorisch einen Großteil der Kaumuskulatur. Patienten mit Trigeminusneuralgie leiden bei eigentlich harmlosen Reizen wie Luftzug, Berührung, Kauen, Sprechen oder Rasieren unter intensiven, stromstoßartigen Schmerzattacken von wenigen Sekunden bis zu zwei Minuten in einem oder mehreren Ästen des Nervus trigeminus. Die Lebensqualität der Betroffenen ist oft stark beeinträchtigt.
Die Erkrankung sei weniger bekannt als andere Kopfschmerzarten und recht komplex, daher habe die neue S1-Leitlinie für Mediziner sowie Patienten große Bedeutung, sagte Priv.-Doz. Dr. med. Gudrun Goßrau, Dresden, in einer Pressekonferenz der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG). Die Expertin stellte in diesem Rahmen den aktuellen Stand in Diagnostik und Therapie anlässlich des Deutschen Kopfschmerztags vor.
Die Trigeminusneuralgie tritt eher im Alter auf – daher müssen wir mit einer Zunahme in den nächsten Jahren rechnen.
Klassifikation dank Bildgebung
Die Referentin betonte die Bedeutung der klinischen Diagnose und erläuterte die neue Klassifikation der Erkrankung, die aufgrund neuer diagnostischer Möglichkeiten und Erkenntnisse zur Pathophysiologie entstand. Wichtiger Aspekt bei der Diagnostik sei die Bildgebung, vorwiegend die kranielle Magnetresonanztomographie.
Die klassische Trigeminusneuralgie beruht auf dem Nachweis einer neurovaskulären Kompression mit morphologischen Veränderungen der Wurzel des N.trigeminus. Hier liegt also ein Gefäß-Nerven-Kontakt vor, etwa wenn eine Arterie über dem Austritt der Nervenwurzel liegt. Je nach Schweregrad kann der Nerv verlagert oder in seiner Struktur verändert sein. Bei bis zu 15 % der Patienten liegt eine sekundäre Trigeminusneuralgie vor, sie wird verursacht durch eine nachgewiesene Grunderkrankung, beispielsweise multiple Sklerose oder eine raumfordernde Läsion. Können die genannten Zusammenhänge ausgeschlossen werden, handelt es sich um eine idiopathische Trigeminusneuralgie, die keine Auffälligkeiten in elektrophysiologischen Tests oder im MRT zeigt. Wiederkehrende paroxysmale einseitige Gesichtsschmerzattacken, evtl. mit anhaltendem Hintergrundschmerz, sind allen drei beschriebenen Kategorien gemeinsam.
Viele Therapieoptionen off Label
Aufgrund des hohen Leidensdrucks sollte die Behandlung schnellstmöglich beginnen. Die Monotherapie mit Carbamazepin ist dabei erste Wahl, alternativ ist auch der Einsatz von Oxcarbazepin off Label möglich. Bei Unverträglichkeit oder unzureichender Wirkung wird eine Langzeittherapie (z.B. mit Pregabalin, Gabapentin, Lamotrigin, Phenytoin, Baclofen, Topiramat – jeweils oral – oder Botulinumtoxin subkutan oder Lidocain intranasal/intraoral) mit einer Behandlung bei akuter Exazerbation (z.B. mit Lidocain oder Phenytoin – jeweils i.v. – oder Sumatriptan, einem Lokalanästhetikum subkutan oder Pimozid oral) kombiniert.
Es stehe in der Zweitlinientherapie ein großer Block an Wirkstoffen zur Verfügung, zugelassen für Trigeminusneuralgie sei jedoch lediglich Phenytoin, so die Expertin. Darüber hinaus seien invasive Therapien möglich, etwa eine operative Dekompression des Nervs. Für diese Techniken zeigten zunehmend gute Daten vielversprechende Ergebnisse.
Anzustreben ist eine kausale Therapie.
Quelle
Priv.-Doz Dr. med. Gudrun Goßrau, Dresden. Lange erwartet: Die neue Leitlinie zur Diagnose und Therapie der Trigeminusneuralgie 2023. Online-Pressekonferenz zum Kopfschmerztag 2023 am 5. September 2023.