Arzneimitteltherapie im Ramadan

Über 6% der deutschen Bevölkerung sind Muslime und viele davon begehen den Fastenmonat Ramadan. Welche Besonderheiten bei der Arzneimitteltherapie in dieser Zeit zu beachten sind, erläuterte Dr. Markus Zieglmeier beim ADKA-Kongress, der vom 4. bis 6. Mai 2023 in Nürnberg stattfand.

Fastenmonat Ramadan

Der Fastenmonat Ramadan findet im neunten Monat des islamischen Mondkalenders statt – 2023 war das vom 23. März bis 21. April. Gefastet wird tagsüber, das Fastenbrechen ist der Nacht vorbehalten. Da am Tag weder gegessen und getrunken noch ein orales Arzneimittel eingenommen werden darf, ist diese Zeit eine pharmakokinetische Herausforderung, so Zieglmeier. Allerdings wird es gerade einfacher, erläuterte Zieglmeier, da der Ramadan im Kalenderjahr immer weiter nach vorne wandert (2024: 11. März bis 10. April). In den nächsten Jahren werden also die Tage im Ramadan immer kürzer und die Nächte länger – das bietet mehr Spielraum für Arzneimitteltherapien, die mehrmals täglich eingenommen werden müssen. Überdies ist die Gefahr der Dehydrierung im Winter nicht so groß wie in den Sommermonaten.

Das ist nicht unsere Aufgabe, darüber zu urteilen. Wir müssen unsere Patienten da abholen, wo sie stehen!

Reisende, Kranke und Schwangere müssen gemäß Koran nicht fasten, allerdings besteht die Pflicht, das Fasten nachzuholen, sobald es möglich ist. Bei akut Kranken, gerade auch im Krankenhaus, macht daher die Arzneimitteltherapie meist keine Probleme. Schwieriger wird es bei chronisch Kranken wie Diabetikern oder Hypertonikern, die keine Gelegenheit zum Nachholen des Fastenmonats haben. Sie fasten also häufig auch regulär im Ramadan, was es bei der Arzneimitteltherapie zu berücksichtigen gilt.

Möglichkeiten zur Therapieanpassung

Während des Ramadans können zwar keine oralen Arzneimittel während des Tages eingenommen werden, einige andere Arzneiformen sind jedoch möglich. Dazu zählen beispielsweise Wirkstoffpflaster (TTS), Salben und Cremes, Augen- und Ohrentropfen. Auch Mundspülungen und Gurgellösungen dürfen verwendet werden, wenn sie nicht geschluckt werden. Sauerstoff und Narkosegase fallen nicht unter die Fastenregelungen, ebenso wenig wie Infusionen. Bei Letzteren bilden lediglich parenterale Ernährungslösungen einen Grenzfall. Bei akut Kranken sind sie sowieso erlaubt, ansonsten besteht die Möglichkeit, diese nachts laufen zu lassen, erläuterte Zieglmeier.

Die Pharmakokinetik mancher Arzneimittel kann durch das andere Essverhalten während des Ramadans verändert sein. Als Beispiel nannte Zieglmeier Effekte wie unter Lercanidipin, das einem hohen First-Pass-Effekt unterliegt. Wird es wie gewohnt 15 bis 30 Minuten vor dem Frühstück eingenommen, kann nach dem nächtlichen Fastenbrechen, das häufig üppige, fettreiche Mahlzeiten vorsieht, die Bioverfügbarkeit deutlich erhöht sein (etwa verdreifacht).

Bei Diabetikern besteht sowohl ein Hypoglykämierisiko am Tag als auch ein Hyperglykämierisiko, wenn Arzneimittel abgesetzt werden.

Insgesamt empfiehlt Zieglmeier entweder Präparate einzusetzen, die nur einmal täglich gegeben werden müssen und so auch vor Sonnenaufgang eingenommen werden können, oder auf alternative Arzneimittelformen umzusteigen.

Quelle

Dr. Markus Zieglmeier. Einfluss religiöser und diätetischer Aspekte auf die Arzneimittelauswahl. ADKA-Kongress, 4. bis 6. Mai 2023 in Nürnberg.