Beim Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse macht die abendliche Einnahme von Antihypertensiva laut einer Studie keinen Unterschied zur morgendlichen Einnahme.
Hypertonie als kardiovaskulärer Risikofaktor
Bluthochdruck gilt als Haupt-Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen. Ein gut eingestellter Blutdruck reduziert das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse, einschließlich Schlaganfall, koronare Herzkrankheit und kardiovaskulär bedingte Todesfälle.
In klinischen Studien zur Bluthochdrucktherapie wurden Antihypertensiva meist morgens verabreicht. Ein normaler Blutdruck weist jedoch einen tageszeitlichen Rhythmus auf. Während der Nacht sind die Werte in der Regel niedriger (sog. Dipping), gefolgt von einem morgendlichen Anstieg. Menschen, die diesen typischen tageszeitlichen Rhythmus nicht aufweisen, haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse. Darüber hinaus hängen kardiovaskuläre Ereignisse zeitlich mit dem morgendlichen Blutdruckanstieg zusammen.
Antihypertensiva: morgens oder abends?
Es könnte sein, dass die abendliche Gabe von Antihypertensiva den tageszeitlichen Rhythmus besser normalisieren und den 24-h-Blutdruck effektiver senken kann als die morgendliche Gabe und somit auch kardiovaskuläre Spätfolgen der Hypertonie verhindert werden könnten.
In der prospektiven, randomisierten, offenen und Endpunkt-verblindeten TIME-Studie aus Großbritannien wurden mehr als 21.000 erwachsene Patienten mit einer Hypertonie (mittleres Alter 65,1 Jahre) eingeschlossen. Die Probanden nahmen im Median über 5,2 Jahre ihre Antihypertensiva entweder morgens (zwischen 6:00–10:00 Uhr) oder abends (zwischen 20:00–0:00 Uhr) ein. Knapp die Hälfte der Patienten erhielt ACE-Hemmer. Bei knapp einem Fünftel der Patienten waren Diuretika ein Bestandteil der antihypertensiven Therapie. Die Probanden der abendlichen Einnahmegruppe waren angehalten, die Diuretika-Dosis aufgrund der Nykturie auf den frühen Abend (18:00 Uhr) vorzuverlegen. 13% der Patienten hatten bereits ein kardiovaskuläres Ereignis.
Die Studienteilnehmer beantworteten einen Monat nach Beginn der Studie und danach alle drei Monate einen Online-Fragebogen. Primärer Endpunkt war der zusammengesetzte kardiovaskuläre Endpunkt aus vaskulär bedingtem Tod oder Krankenhauseinweisung aufgrund eines nichttödlichen Herzinfarkts oder Schlaganfalls.
Kein Unterschied zwischen morgendlicher und abendlicher Gabe
Der primäre Endpunkt trat bei 3,4 % der abendlichen und bei 3,7% der morgendlichen Einnahmegruppe auf (Hazard-Ratio 0,95; 95%-Konfidenzintervall 0,83–1,10; p = 0,53).
Auch sekundäre kardiovaskuläre Endpunkte und Mortalität unterschieden sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen.
Einige UAW bei abendlicher Einnahme seltener
Bei Patienten, die ihre antihypertensive Medikation abends einnahmen, war die Wahrscheinlichkeit zu stürzen etwas geringer (21,2% vs. 22,2%, p = 0,048). Die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse wie Frakturen oder Glaukom-Anfälle, die einen Krankenhausaufenthalt nach sich zogen, unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen. In der abendlichen Dosierungsgruppe berichteten allerdings weniger Patienten über unerwünschte Ereignisse wie Schwindel, Benommenheit, Bauchschmerzen, Verdauungsprobleme oder Muskelschmerzen.
Einnahmezeitpunkt nach Patienten-Präferenz
Nächtlicher Bluthochdruck (Non-Dipping) ist ein Prädiktor für unerwünschte Ereignisse bei Patienten mit einer Hypertonie. Deshalb wird diskutiert, ob eine abendliche Einnahme von Antihypertensiva das kardiovaskuläre Outcome verbessern könnte.
In dieser Studie konnte kein Vorteil für die abendliche Gabe im Hinblick auf kardiovaskuläre Ereignisse (Herzinfarkte, Schlaganfälle, Tod) gezeigt werden. Diese Arbeit war allerdings auch keine Studie, in der eine nächtliche Hypertonie untersucht wurde.
Festzuhalten ist, dass es keinen Unterschied beim Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse oder Todesfälle gab. Deshalb ist es nicht notwendig, Patienten dazu raten, ihre Dosierungszeit zu ändern. Allerdings könnten sie die Einnahmezeit so wählen, wie es ihnen am besten passt und somit auch ein möglichst hohe Adhärenz gewährleistet werden kann.
Quelle
Mackenzie IS, et al. Cardiovascular outcomes in adults with hypertension with evening versus morning dosing of usual antihypertensives in the UK (TIME study): a prospective, randomised, open-label, blinded-endpoint clinical trial. Lancet 2022;400:1417-25. doi: 10.1016/S0140-6736(22)01786-X. Epub 2022 Oct 11.