Prognose für Dysphagie nach Schlaganfall

Schluckstörungen sind häufige Folgen eines Schlaganfalls. Klinische Merkmale lassen abschätzen, inwieweit die Dysphagie reversibel ist.

Am 10. Mai 2023 findet in Deutschland der Tag gegen den Schlaganfall statt. Dieser Aktionstag wurde 1999 von der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe ins Leben gerufen.

Vorhersage durch Datenanalyse

Eine oropharyngeale Dysphagie, häufig Folge eines Schlaganfalls, kann Lebensqualität und Ernährungsstatus stark beeinträchtigen und ist ein Risikofaktor für schwerwiegende Komplikationen. In manchen Fällen gelingt eine Wiederherstellung der Schluckfunktion. Die Prognose für die Genesung ist auch hinsichtlich der Entscheidung über enterale Ernährung im akuten Stadium nach dem Schlaganfall und bezüglich der Strategien zur Versorgung wichtig.

Ein systematischer Review untersuchte anhand von Studien aus sechs verschiedenen Online-Datenbanken, welche Kriterien für eine gute bzw. schlechte Prognose für die langfristige Genesung von Dysphagie nach ischämischem oder hämorrhagischem Schlaganfall relevant sind. Der Großteil der Studien war retrospektiv, 86% der Patienten aus allen eingeschlossenen Studien hatten einen ischämischen Schlaganfall.

Heterogene Studienlage

Mögliche Einflussfaktoren, die in den Studien untersucht wurden, waren Alter, Atemwegskompromittierung, Dysphagie-Schweregrad, bilaterale Läsionen, Schlaganfall-Schweregrad und -lokalisation und gleichzeitig auftretende weitere Beeinträchtigungen. Als Genesung bewerteten die vorliegenden Arbeiten einen reduzierten Schweregrad auf einer validierten Dysphagie-Skala, das Entfernen einer Gastrostomiesonde oder eine Rückkehr zur oralen Nahrungsaufnahme, teilweise mit einer eingeschränkten Konsistenz (Reisbrei, weiche Diät).

Die analysierten Studien ergaben uneinheitliche negative Vorzeichen für die Schluckerholung, beispielsweise eine moderate Schlaganfallschwere (National Institutes of Health Stroke Scale [NIHSS] ≥ 12), bestimmte Lokalisationen der Läsionen sowie medizinische Interventionen.

Relevante Kriterien identifiziert

Trotz Unterschiede in den statistischen Methoden und Definitionen von „Genesung“, in den Maßnahmen zur Schluckerholung und den Nachbeobachtungszeiten in den vorliegenden Studien konnten die Autoren des Reviews signifikante Merkmale für die Vorhersage der Dysphagie-Erholung identifizieren. Demnach waren folgende Faktoren mit einer negativen Prognose und einer persistierende Dysphagie assoziiert:

  • Höherer anfänglicher Schlaganfall-Schweregrad (NIHSS [National Institutes of Health Stroke Scale]-Score, insbesondere bei den Items Fazialisparese, Sprache/Aphasie und Dysarthrie)
  • Bestätigte Penetration und/oder Aspiration bei der instrumentellen Schluckuntersuchung (Videofluoroskopie des Schluckaktes [VFSS] oder funktionelle endoskopische Schluck-Untersuchung [FEES])
  • Bilaterale Läsionen
  • Schwere Hyperintensitäten der weißen Substanz (eingeschränkte Gesamtsignalstärke im Gehirn)
  • Intubation und Tracheostomie-Insertion nach Schlaganfall
  • Höheres Alter

Einzelne Hinweise zur Lokalisation

Assoziationen mit einer guten Prognose ergaben sich für Veränderungen der zeitlichen und räumlichen Messungen der Zungen- und Epiglottisbewegung in der VFSS. Keine eindeutige Assoziation konnten die Autoren anhand der Läsionslokalisation ermitteln. Es gab jedoch in einzelnen Studien mehrere signifikante Variablen – insbesondere Hirnstammläsionen. Auch linksseitige Schlaganfälle, frontale Operculum-Läsionen und Läsionen in Regionen, die sowohl den supratentoriellen (oberhalb des Kleinhirnzelts, also in der mittleren oder vorderen Schädelgrube liegenden) als auch den infratentoriellen (kaudal des Kleinhirnzelts, also in der hinteren Schädelgrube liegende) Bereich betreffen (d.h. mehrere Lokalisationen), waren in einzelnen Ergebnissen signifikant mit einer negativen Prognose verbunden.
Reperfusionsbehandlungen wie Thrombolyse und Thrombektomie scheinen nicht für die Dysphagie-Prognose relevant zu sein. Neuere Erkenntnisse beschreiben allerdings eine stärkere Verbesserung der oralen Aufnahme und einen kürzeren Krankenhausaufenthalt bei Patienten nach Thrombolyse.

Wichtige Hinweise trotz unvollständiger Analysen

Die Autoren räumen ein, dass es anhand der heterogenen Daten schwierig ist, Schlussfolgerungen und Empfehlungen für das klinische Dysphagie-Management auszusprechen. Weitere prospektive Studien sollen hier mehr Licht ins Dunkel bringen, insbesondere auch für Patienten mit hämorrhagischem Schlaganfall und vor dem Hintergrund eines anerkannten, standardisierten Maßes für „Genesung“. Dennoch stufen sie die Ergebnisse als relevant ein, beispielsweise betonen sie die Wichtigkeit einer instrumentellen Beurteilung bei Patienten mit Dysphagie nach einem Schlaganfall. Ist eine instrumentelle Beurteilung nicht möglich, empfehlen die Autoren eine standardisierte klinische Schluckuntersuchung, beispielsweise die Mann Assessment of Swallow Ability (MASA) in Kombination mit standardisierten Schweregradskalen (Functional Oral Intake Scale [FOIS] oder Dysphagia Severity-Rating Scale [DSRS]).

Eine objektive Beurteilung der Pharynxphysiologie und der Atemwegskompromittierung ist wichtig, um den Schweregrad der Dysphagie zu bestimmen, die mit gesundheitlichen Ergebnissen und Gesundheitskosten verbunden ist.

Nicht berücksichtigt in dieser Analyse wurden Einflüsse einer Schlucktherapie mittels Akupunktur, Pharmakotherapie, Verhaltensintervention, elektrischer oder transkranieller Stimulation sowie physikalischer Simulation. Auch hier besteht noch Informationsbedarf.

Quelle

D’Netto P, Rumbach A, Dunn K, Finch E. Clinical predictors of dysphagia recovery after stroke: a systematic review. Dysphagia 2023;38:1-22. doi: 10.1007/s00455-022-10443-3. Epub 2022 Apr 20. PMID: 35445366; PMCID: PMC9873776.