Migräne bei Kindern und Jugendlichen

Auch bei Kindern und Jugendlichen kann Migräne auftreten. Priv.-Doz. Dr. Michael Überall stellte Therapieoptionen und Präventionsmaßnahmen beim Deutschen Schmerz- und Palliativtag 2023 vor.

Andere Symptomatik als bei Erwachsenen

Migräne ist die häufigste primäre Kopfschmerzerkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Die Symptome unterscheiden sich teilweise von Erwachsenen, was die Diagnose erschweren kann: Der Kopfschmerz tritt häufig beidseitig auf und hat einen eher drückenden als pochenden/pulsierenden Charakter, oft stehen die gastrointestinalen Symptome im Vordergrund und die Attackendauer kann deutlich kürzer sein.

Vorboten einer Attacke sind unter anderem Müdigkeit, Reizbarkeit, Geräusch-, Licht- und Geruchsempfindlichkeit, Übelkeit sowie Heißhunger. Letzterer wird laut Priv.-Doz. Dr. Michael Überall häufig fehlinterpretiert: Greifen Kinder zu Süßigkeiten oder Schokolade werden diese häufig als Auslöser des Migräneanfalls propagiert, dabei ist der Konsum eher eine Reaktion auf den die Attacke ankündigenden Heißhunger. Er empfiehlt überdies, von der Suche nach attackenauslösenden Nahrungsmitteln abzusehen. Dies sei selten zielführend, besser sei eine ausgewogene, gesunde Ernährung anzustreben.

Therapie der akuten Migräneattacke

Bei der Therapie des akuten Anfalls sollten medikamentöse Maßnahmen im Vordergrund stehen. Mittel der Wahl ist Ibuprofen in einer Dosierung von 10 bis 15 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Bei Unverträglichkeit kann Metamizol gegeben werden, bei langanhaltendem Schmerz gegebenenfalls auch Naproxen wegen seiner längeren Wirksamkeit in Kombination mit einem Triptan. Die Triptane sind nur Mittel der zweiten Wahl und da insbesondere Sumatriptan oder Zolmitriptan als Nasenspray. Antiemetika sind meist nicht nötig, da die gastrointestinalen Symptome bereits mit der Analgetikaeinnahme zurückgehen.

Migräneanfälle so schnell wie möglich und mit ausreichend hoch dosierten Medikamenten behandeln („if you do it, hit hard and early“)

Nichtmedikamentöse Maßnahmen sind Schlaf und gegebenenfalls wärmen oder kühlen, während Pfefferminzöl wegen des intensiven Geruchs bei Kindern mit Migräne oft nicht als angenehm empfunden wird.

Präventionsmaßnahmen

Auch wenn die Migräne eine genetisch bedingte Erkrankung ist, können äußere Einflüsse die Erkrankung verschlechtern. Ein nicht zu unterschätzender Einflussfaktor ist bei Kindern und Jugendlichen die muskuläre Nackenverspannung durch eine übermäßige Belastung der Halswirbelsäule durch Smartphone-Nutzung („Handynacken“).

Die Antwort ist nicht, das Smartphone wegzunehmen und die Nutzung der sozialen Medien zu verbieten, sondern die Antwort ist, die adäquate Körperhaltung bei der Nutzung dieser Geräte zu trainieren.

Weitere nichtpharmakologische Maßnahmen zur Prävention sind unter anderem das Führen eines Kopfschmerztagebuchs zur Identifizierung und Vermeidung von Auslösefaktoren, Entspannungsübungen, kognitive Verhaltenstherapie, eine abwechslungsreiche Ernährung und ausreichende Trinkmenge, Ausdauersport sowie eine gute Schlafhygiene.

Die prophylaktische Pharmakotherapie der kindlichen Migräne ist die Ausnahme und nicht die Regel! Seien Sie (äußerst) vorsichtig mit neuen, aber nicht zugelassenen und vielleicht – gerade im Kindesalter – unnötigen Therapien.

Derzeit werden zur medikamentösen Prophylaxe Topiramat und Amitriptylin eingesetzt – laut Überall zu häufig, weil es einfacher sei als die zahlreichen, teilweise zeitaufwendigen nichtmedikamentösen Präventionsmaßnahmen umzusetzen und zu begleiten. Dabei haben sich diese Therapeutika in mehreren Studien (z.B. Powers et al) als wenig wirksam und schlecht verträglich erwiesen. Es ist anzunehmen, dass CGRP-Antikörper auch bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren wirksam sind, diese sind derzeit aber nicht zugelassen. Einige Studien laufen dazu, für die erste Ergebnisse Ende 2023 bzw. Anfang 2024 erwartet werden.

Quelle

Priv.-Doz. Michael A. Überall. Schmerztherapie bei Kindern: Migräne. Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2023. Online 16. März 2023.