Strategien zur Arzneimittelapplikation bei Dysphagie

Dysphagie ist in der Palliativmedizin ein häufig auftretendes Symptom. Verschiedene Strategien können helfen, die Arzneimitteleinnahme zu erleichtern oder überhaupt erst möglich zu machen. Logopädin Ricki Nusser-Müller-Busch und Apothekerin Dr. Pamela Reißner stellten beim Workshop Arzneimitteltherapie und Symptomkontrolle 2022 – Palliativmedizin Ursachen der Dysphagie vor sowie Möglichkeiten, die Arzneimittelgabe zu gestalten.

Ursachen von Dysphagie

Die Gründe für Schluckstörungen sind vielfältig. Dazu zählen Erkrankungen, Operationen oder Bestrahlungen im Kopf-Hals-Bereich, Verätzungen im Mund-Rachen-Raum, Erkrankungen wie Morbus Parkinson, amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Tumoren oder auch Essstörungen. Sie können außerdem als Nebenwirkung von verschiedenen Arzneimitteln auftreten, beispielsweise bei Anticholinergika und Antipsychotika.

Dadurch ist nicht nur die Nahrungsaufnahme, sondern auch die Arzneimitteleinnahme erschwert. Einige Strategien und Hilfsmittel können die Applikation erleichtern beziehungsweise ermöglichen.

Möglichkeiten für eine gelungene Arzneimittelapplikation

Beim Schlucken unterstützen kann beispielsweise die sogenannte Pop-Bottle-Technik: Dazu wird die Tablette auf die Zunge gelegt und dann ein schwungvoller Schluck aus einer flexiblen, mit Wasser gefüllten Flasche genommen. Für Kapseln eignet sich auch die Vorwärts-Neige-Technik: Erst die Kapsel und einen Schluck Wasser in den Mund nehmen, dann wird der Kopf nach vorne geneigt, die Kapsel schwimmt auf und kann gemeinsam mit dem Wasser geschluckt werden. Bei Tabletten funktioniert die letztere Methode jedoch nicht, sondern nur bei Kapseln, die noch einen gewissen Anteil Luft enthalten.

Abhilfe schaffen kann auch die MedCoat® Schluckhilfe. Diese überzieht die Tablette mit einem gelartigen Film, der das Schlucken erleichtert. Der Film mit Zitronenaroma überdeckt außerdem den Tablettengeschmack.

Umstellung der Darreichungsform

Ansonsten besteht die Möglichkeit, die Darreichungsform zu wechseln. Dabei muss allerdings einiges beachtet werden. Wechsel von festen Oralia auf:

  • Flüssige orale Arzneiformen
  • Andere feste orale Arzneiformen (z.B. Sublingualtabletten)
  • Rektale Arzneiformen
  • Transdermale Arzneiformen
  • Parenterale Arzneiformen

Teilweise ist auch das Teilen und Mörsern von Tabletten eine Option.

Achtung bei anderen Darreichungsformen

Bei einem Wechsel der Darreichungsform auf andere Oralia muss häufig das Dosierintervall angepasst und die schnellere Spiegelanflutung berücksichtigt werden. Auch bei Rektalia kann das Dosisintervall anders sein als bei der vorherigen Tablettengabe. Bei der Umstellung auf Transdermale Systeme können Umrechnungstabellen helfen. Die Wirkstoffpflaster werden in der Palliativmedizin häufig genutzt, allerdings sind sie problematisch bei kachektischen Patienten, weil das Wirkstoffdepot in der Haut nicht (ausreichend) aufgebaut wird.

Vorsicht beim Teilen und Mörsern

Nicht jede Tablette darf geteilt oder zerkleinert werden. Kritisch ist dies beispielsweise bei magensaftresistenten Tabletten, Retard- und Manteltabletten sowie Tabletten mit niedrig dosiertem oder hygroskopischem Wirkstoff. Das Zerbrechen kann dann zu einer veränderten Bioverfügbarkeit führen (Tabletten mit modifizierter Freigabe) oder die Dosiergenauigkeit beeinträchtigen (niedrigdosierte Arzneistoffe).

Nicht jede Kerbe ist eine Bruchkerbe!

Vorsicht ist auch bei Tabletten mit Kerben geboten: Manche Tabletten sind in der Tat dafür gedacht, dosisgenau geteilt zu werden, sodass problemlos die eine Hälfte beispielsweise morgens, die andere Abend gegeben werden kann.

Andere wiederum dürfen zwar zum einfacheren Schlucken zerbrochen werden, die Teilung ist aber nicht dosisgenau – somit müssen alle Teile sofort eingenommen werden.

Gänzlich ungeeignet zum Teilen sind Tabletten mit einer sogenannten Schmuckkerbe, die nur der besseren Optik dient.

Reißner empfahl, dass bei allen Darreichungsformen außer normalen (Film-)Tabletten vor dem Teilen und Mörsern immer ein Apotheker zurate gezogen werden sollte.

Quelle

Ricki Nusser-Müller-Busch, Dr. Pamela Reißner. Dysphagie. Workshop Arzneimitteltherapie und Symptomkontrolle 2022, Palliativmedizin, 24. und 25. November (in München und virtuell).