Koloskopie-Screening senkt Darmkrebsrisiko

Die Durchführung von Koloskopien im Kampf gegen Darmkrebs hat ihre Berechtigung. Das belegen die Ergebnisse einer aktuellen Studie. Dennoch bleiben Fragen offen.

Gesetzliches Früherkennungsprogramm

Plakate, Werbespots und persönliche Einladungen von Krankenkassen rufen regelmäßig zum Koloskopie-Screening als Vorsorgemaßnahme gegen Darmkrebs auf. In Deutschland hat jeder Versicherte ab 50 (Männer) bzw. 55 (Frauen) Jahren Anspruch auf solche eine Untersuchung. Der Krebsinformationsdienst (dkfz) stuft die Darmspiegelung als die derzeit zuverlässigste Methode zur Darmkrebsfrüherkennung ein. Dadurch sollen mehr Tumoren in einem frühen Stadium entdeckt, Krebsvorstufen entfernt und die Heilungschancen erhöht werden. Die Koloskopie in Kombination mit der Entfernung von Tumorvorstufen gilt als echte, präventive Krebsvorsorgemaßnahme.

Nutzen auf dem Prüfstand

Ob das Screening sein Ziel erreicht, untersuchten nun Forscher anhand von Daten aus den Bevölkerungsregistern in Polen, Norwegen und Schweden. Von 84.585 Personen im Alter von 55 bis 64 Jahren erhielten 28.220 eine Einladung zu einem Koloskopie-Screening. Dieser folgten 11.843 Personen (42 %) und nahmen die Untersuchung wahr. Im Rahmen des Screenings wurde in 62 Fällen Darmkrebs diagnostiziert, bei 3634 Teilnehmern wurden Adenome entfernt. Die übrigen 56.365 Studienteilnehmer erhielten keine Einladung und nahmen nicht an einem Screening teil.

Weniger Darmkrebs durch Screening

Während der durchschnittlich zehnjährigen Nachbeobachtungszeit ermittelten die Studienautoren die Anzahl der Darmkrebsfälle in beiden Gruppen sowie das Sterberisiko durch Darmkrebs.

Es wurden 259 Darmkrebsdiagnosen in der Screening-Gruppe und 622 bei den nicht-untersuchten Teilnehmern gestellt. Intention-to-screen-Analysen ergaben ein Darmkrebsrisiko nach zehn Jahren von 0,98 % vs. 1,20 %. Die Minimierung des Risikos lag damit bei 18 % (Risk Ratio [RR] 0,82; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,70–0,93). Das geschätzte Darmkrebsrisiko nach zehn Jahren beträgt 0,84 %, wenn alle Eingeladenen am Screening teilgenommen hätten.

Das Risiko, an Darmkrebs zu sterben, lag in der Screening-Gruppe bei 0,28 %, in der Kontrollgruppe bei 0,31 % (RR 0,90; 95%-KI 0,64–1,16). Wären alle Eingeladenen zum Screening gegangen, würden schätzungsweise 0,15 % an Darmkrebs sterben. Eine Auswertung des Sterberisikos aufgrund jedweder Ursache ergab 11,03 % bzw. 11,04 % und war somit in beiden Gruppen nahezu gleich (RR 0,99; 95%-KI 0,96–1,04).

Kommentar

Die Studienergebnisse liefern eine positive Antwort auf die Hauptfragestellung der Autoren: Das Koloskopie-Screening kann das Risiko für Darmkrebs senken. Damit untermauern die Daten den Nutzen des auch in Deutschland durchgeführten organisierten Screeningprogramms zur Darmkrebsvorsorge.

Die Studie offenbart jedoch zwei weitere Aspekte, die das positive Ergebnis trüben:

  • Die Analyse zeigt, dass die Einladungen sehr unterschiedlich angenommen wurden. In Polen gingen 33 % der eingeladenen Personen zum Screening, in Norwegen mehr als 60 %. Insgesamt folgten mehr Männer und mehr ältere Menschen den Aufrufen. So vorteilhaft eine Maßnahme sein mag, sie nützt nur, wenn Menschen das Angebot auch wahrnehmen. Die Studienanalyse ergab außerdem: 455 Einladungen müssen ausgesprochen werden, um einem Darmkrebsfall in zehn Jahren vorzubeugen. Damit stellt die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage eine entscheidende Limitation in der Krebsprävention dar.
  • Ein zweiter Aspekt, der auch Kritikern des Darmkrebs-Screenings in die Hände spielt, ist die unveränderte Anzahl der Todesfälle in beiden Gruppen. Unter den Screening-Teilnehmern verstarben innerhalb von zehn Jahren zwar weniger an Darmkrebs, aber insgesamt genauso so viele Menschen wie in der Kontrollgruppe. Ein rein quantitativer Blick auf die Todesfälle ergibt demnach keinen Vorteil für ein Koloskopie-Screening.

Quelle

Bretthauer M, et al.; NordICC Study Group. Effect of colonoscopy screening on risks of colorectal cancer and related death. N Engl J Med 2022 Oct 9. doi: 10.1056/NEJMoa2208375. Epub ahead of print. PMID: 36214590.