Neues zum Tremor: Plus-Klassifikation, Topiramat und Botox

Die überarbeitete Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Tremor stuft den essenziellen Tremor, der von bestimmten Symptomen begleitet wird, neu ein und nimmt Topiramat in die Liste der empfohlenen Arzneimittel mit auf. Auch Botulinumtoxin erhält eine Bewertung mit günstigem Nebenwirkungsprofil.

Neue Einteilung: Essenzieller Tremor plus

Die S2k-Leitlinie (PDF) für Diagnostik und Therapie in der Neurologie zum Krankheitsbild Tremor wurde jüngst überarbeitet. Zu den wichtigsten Neuerungen zählt die Klassifikation des essenziellen Tremors plus (ET+), definiert als essenzieller Tremor (ET), begleitet von einem der folgenden neurologischen Symptome, den sogenannten „soft signs“:

  • leicht gestörter Seiltänzergang
  • fragliche dystone Symptome
  • diskrete Gedächtnisstörung
  • Ruhetremor
  • andere diskrete neurologische Auffälligkeiten

In der Behandlung macht die Einteilung allerdings keinen Unterschied: Für ET und ET+ gelten die gleichen Therapieempfehlungen.

Topiramat ergänzt Medikationsempfehlungen

Zu den empfohlenen Medikamenten erster Wahl zur Behandlung des essenziellen Tremors mit Propranolol (30‒240 mg) und Primidon off Label (62,5‒750 mg) gesellt sich nun Topiramat off Label in einer Dosierung von 200 bis 400 mg. Die Auswahl der im Einzelfall geeigneten Intervention soll sich an den Kontraindikationen und der individuellen Verträglichkeit vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Nebenwirkungsprofile orientieren. Bei nur unbefriedigender Wirksamkeit oder störenden Nebenwirkungen kommen die anderen verbleibenden Arzneimittel zum Zuge.

Laut Leitlinie gibt die aktuelle Studienlage keine gesonderten Therapieempfehlungen für Untergruppen junger oder älterer Patienten her. In der Praxis erhalten ältere Patienten häufiger Primidon, jüngere eher Betablocker. Neue Alternative ist Topiramat. Propranolol und Primidon als Kombinationstherapie scheinen besonders gute Wirkung zu haben.

Botox bei Handtremor, MRgFUS bei Medikamentenresistenz

Sind die Hände von essenziellem Tremor betroffen, kann laut aktualisierter Leitlinie elektromyografisch gesteuertes Botulinumtoxin eingesetzt werden. Die Wirksamkeit ist mit der oralen Pharmakotherapie vergleichbar, das Nebenwirkungsprofil wird für den behindernden dystonen Armtremor als günstig eingestuft. Voraussetzung ist die entsprechende Ausbildung des Behandelnden.

Als neue, nicht invasive Therapiemethode nennen die Experten den MRT-gesteuerten fokussierten Ultraschall (MRgFUS). Die Empfehlung bezieht sich auf die Therapie zur einseitigen Behandlung des medikamentenresistentem ET.

Quelle

Deuschl G, Schwingenschuh P, et al. Tremor, S2k-Leitlinie 2022; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. www.dgn.org/leitlinien (Zugriff am 06.10.2022).