Laut einer aktuellen Studie besteht ein Zusammenhang zwischen Gichtanfällen und einem kurzzeitig erhöhten Risiko für Myokardinfarkte und Schlaganfälle.
Entzündungsprozesse und Atherosklerose
Mittlerweile liegen verschiedene Hinweise vor, dass immunvermittelte systemische Entzündungszustände sowie bestimmte Infektionen, beispielsweise mit HIV und Influenzaviren, Atherosklerose und kardiovaskuläre Ereignisse fördern können. Tatsächlich treten bei Patienten mit rheumatoider Arthritis, Psoriasis, Lupus erythematodes und entzündlichen Darmerkrankungen häufiger kardiovaskuläre Ereignisse auf als bei Menschen, die nicht von diesen Erkrankungen betroffen sind. Auch zur Gicht und erhöhter kardiovaskulären Mortalität existieren mehrere Untersuchungen. So scheinen episodische akute Entzündungsschübe auch unter gängigen Gichttherapien vorübergehend mit einer Risikoerhöhung für kardiovaskuläre Ereignisse verbunden zu sein.
Höhere Gichtrate vor Infarkt oder Schlaganfall
Mit einer aktuellen Studie auf der Basis elektronischer Gesundheitsakten des UK Clinical Practice Research Datalink (CPRD) von 1997 bis 2020 erhofften sich die Autoren Erkenntnisse, ob Gichtepisoden mit erhöhten Raten kardiovaskulärer Ereignisse während einer bestimmten Nachbeobachtung assoziiert waren.
In der verschachtelten Fall-Kontroll-Studie wurden 10 475 Patienten mit einer Gicht-Neudiagnose, bei denen ein akuter Myokardinfarkt oder ein Schlaganfall auftrat, verglichen mit 52 099 Patienten mit Gicht-Neudiagnose, die kein kardiovaskuläres Ereignis entwickelten. Die Gichtrate betrug bei Patienten mit kardiovaskulären Ereignissen 2,0 % im Zeitraum bis 60 Tage vor dem Ereignis und 1,6 % in den Tagen 61 bis 120 Tagen vor dem Ereignis. Die Gichtraten für den gleichen Zeitraum bei Gicht-Patienten ohne kardiovaskuläres Ereignis betrugen 1,4 % bzw. 1,2 %.
Risiko nimmt allmählich wieder ab
Eine weiterführende Fallanalyse der Studienautoren mit 1421 Patienten mit Gichtschub und einem kardiovaskulären Ereignis in einem Beobachtungszeitraum von 720 Tagen ergab folgende kardiovaskuläre Ereignisraten pro 1000 Personentage:
- 2,49 (95%-Konfidenzintervall [KI] 2,16‒2,82) an den Tagen 0 bis 60 nach Gichtanfall
- 2,16 (95%-KI 1,85‒2,47) an den Tagen 61 bis 120 nach Gichtanfall
- 1,70 (95%-KI 1,42‒1,98) an den Tagen 121 bis 180 nach Gichtanfall
- 1,32 (95%-KI 1,23‒1,41) 150 Tage vor oder 181 bis 540 Tage nach dem Gichtanfall
Ähnliche Entzündungsprozesse
Gichtschübe und eine kurzzeitige Risikosteigerung für Myokardinfarkt und Schlaganfall scheinen also zusammenzuhängen. Die Studienautoren vermuten in der Atherothrombose den zugrunde liegenden Mechanismus. Die Grundhypothese lautet: Die Aktivität systemischer entzündlicher Erkrankungen kann Gefäßentzündungen begünstigen, die wiederum als Hauptförderer akuter vaskulärer Ereignisse gelten.
Bei den gichttypischen, durch abgelagerte Harnsäurekristalle ausgelösten, Entzündungsreaktionen in den Gelenken spielt die Aktivierung der Immunantwort eine entscheidende Rolle. Infolgedessen wird das proinflammatorische Zytokin Interleukin 1ß (IL-1ß) freigesetzt, das wahrscheinlich auch wesentlich bei der Entstehung der Arteriosklerose beteiligt ist.
Fazit: Wachsam sein nach Gichtanfall
Aus Sicht der Wissenschaftler ist es empfehlenswert, auf ein möglicherweise erhöhtes kardiovaskuläres Risiko in der Zeit nach einem Gichtanfall aufmerksam zu machen sowie auf Anzeichen und Symptome von instabiler Angina, Myokardinfarkt und ischämischem Schlaganfall zu achten. Präventionsmaßnahmen gegen Gichtanfälle mittels Diät und Harnsäuresenkung sind somit auch eine wichtige therapeutische Möglichkeit, das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse zu reduzieren.
Quelle
Anderson JL, Knowlton KU. Cardiovascular events and gout flares. JAMA 2022;328:425–426. doi:10.1001/jama.2022.9165.