Wovon die Menschheit schon seit Jahrhunderten träumt, gelingt zumindest einem Teil von uns hervorragend. Die Zellen der Leber erneuern sich stetig, so bleibt das Organ dauerhaft jung und wird maximal drei Jahre alt.
Selbstheilung ein Leben lang
Sie kann angegriffene Zellen durch neue ersetzen und sich nach Verletzungen wieder komplett regenerieren. Dass die Leber ihre Funktionsfähigkeit wieder herstellen kann, hat sie anderen Organen voraus. Ein Forschungsteam aus Dresden konnte nun mittels Radiokarbonmethode bei 33 Probanden im Alter von 20 bis 84 Jahren das biologische Alter des Lebergewebes bestimmen und so quasi das Geburtsdatum des Organs ermitteln. Die Messungen zeigten: Der kontinuierliche Austausch von Hepatozyten geschieht bis ins hohe Alter, die einzigartige Fähigkeit zur Zellerneuerung bleibt ein Leben lang erhalten. Auf diese Weise altert das Organ nicht wesentlich und ist durchschnittlich jünger als drei Jahre.
Diploide Zellen als Jungbrunnen
Die Regenerationsfähigkeit der Leber ist abhängig von der Art der Zellen. Hauptsächlich diploide Hepatozyten (Leberzellen mit doppelten Chromosomensatz) werden ersetzt: 95% innerhalb eines Jahres. Polyploide Hepatozyten, also Leberzellen mit mehr als zwei vollständigen Chromosomensätzen, besitzen eine etwa siebenmal geringere Zellzyklusaktivität. Sie verbleiben länger im Organ – bis zu zehn Jahre. Im Lauf des Lebens entstehen immer mehr polyploide Hepatozyten. Bei jungen Erwachsenen bis 45 Jahren sind mehr als 69% der Hepatozyten noch diploid, ab 65 Jahren sinkt der Anteil auf weniger als 58%, im weiteren Verlauf auf bis zu 40%. Es geht allerdings auch wieder in die entgegengesetzte Richtung, denn aus etwa jeder vierten bis fünften polyploiden Zelle wird wieder eine diploide. So ist die Altersverteilung der Hepatozyten in ständigem Wandel. Insgesamt stellten die Forscher fest: Mehr als die Hälfte aller Leberzellen sind jünger als ein Jahr.
Eventuell machen die langlebigen polyploiden Zellen die Leber anfälliger für altersabhängige Erkrankungen. Möglicherweise wirken sie aber auch als Schutzfaktor bei zellulären Belastungen und können Mutationen sowie Krebs verhindern. Eine Einschränkung bleibt jedoch: Kommt es infolge chronischer Entzündungsreaktionen zu einer zunehmenden Fibrosierung des Gewebes, verlieren die Zellen ihre Regenerationsfähigkeit. Bei schwerwiegenden Schäden ist eben auch die wunderbare Selbstheilungskraft der Leber überfordert.
Quelle
Heinke P, Rost F, Rode J, et al. Diploid hepatocytes drive physiological liver renewal in adult humans. Cell Systems 2022;13:1‒9.