Die S3-Leitlinie Pankreatitis wurde aktualisiert. Definition, Diagnostik und Therapie der akuten und chronischen Erkrankung folgen nun der gleichen Linie.
Herausforderung: Richtig einordnen
Ob akut ohne chronischen Hintergrund oder als akuter Schub in der chronischen Erkrankung: Frühzeitige Diagnose und interdisziplinäre Therapie sind in jedem Fall hilfreich. Das betont die aktualisierte S3-Leitlinie Pankreatitis, federführend erstellt von der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS).
Weiterhin entscheidend für den Behandlungserfolg sind die korrekte Bewertung des Schweregrads und die Vorhersage möglicher Komplikationen. Es gilt, so genau wie möglich die Diagnose zu stellen, aber gleichzeitig schnell zu handeln und unnötige Maßnahmen zu vermeiden.
80% leichte Verläufe bei akuter Erkrankung
Obwohl die akute Pankreatitis zu den häufigsten nichtmalignen Aufnahmediagnosen in der Gastroenterologie zählt und die Inzidenz steigt, führt sie nur selten zu erheblicher Morbidität. Eine harmlose, akute Pankreatitis ist oft nach einigen Wochen überstanden, kann aber auch rezidivierend mit mehreren Schüben gleicher Ätiologie bzw. idiopathischer Genese auftreten, ohne einen chronischen Charakter zu haben. In seltenen schweren Fällen besteht jedoch eine Letalität von bis zu 50 % infolge eines persistierenden Organversagens als Folge infizierter Nekrosen. Die meisten Patienten führen typische starke Oberbauchschmerzen mit gürtelförmiger Ausstrahlung in den Rücken zum Arzt. Eine mindestens um das Dreifache der oberen Norm erhöhte Serum-Lipase (Norm: 20 – 160 U/l (20 – 160 mU/ml), bestätigt die Diagnose. Eine biliäre Pankreatitis wird zusätzlich zur Anamnese und Bildgebung anhand erhöhter Transaminasen und Cholestaseparameter diagnostiziert.
Hauptauslöser sind Gallensteine und Alkoholmissbrauch. Weitere Risiken sehen die Leitlinienautoren bei Hypertriglyzeridämie und Diabetes mellitus Typ 2, durch Tabakrauchen und verschiedene Medikamente (Östrogene, Steroide, Opiate etc.) sowie nach endoskopisch-retrograder Cholangio-Pankreatikographie (ERCP). Infektiöse Komplikationen im Krankheitsverlauf sind häufig. Umso wichtiger ist eine korrekte Vorhersage von schweren Verläufen und Komplikationen anhand von pathophysiologischen Kenntnissen, wiederholtem Einsatz multimodaler Instrumente (Bildgebung, Labor) und interdisziplinärer Zusammenarbeit.
Bei chronischer Variante oft Komplikationen
Rezidivierende Entzündungsschübe, unter denen das Pankreasparenchym durch fibrotisches Bindegewebe ersetzt wird, kennzeichnen die chronische Pankreatitis. Verbunden ist diese Entwicklung mit einem fortschreitenden Verlust der exokrinen und endokrinen Organfunktion, oft begleitet von charakteristischen Komplikationen wie Pseudozysten, Pankreasgang- oder Duodenalstenosen, Gefäßkomplikationen, Mangelernährung sowie dem Hauptsymptom starkem Schmerz. Zur Diagnose der chronischen Erkrankung dient die Evaluation der exokrinen Pankreasfunktion. Auch autoimmune Pankreatitiden sind bekannt, sie werden in erster Linie mit Glucocorticoiden behandelt.
Therapie je früher, desto besser
Grundsätzlich ist ein interdisziplinäres Vorgehen von Vorteil. Die kontrollierte Volumentherapie, initial mit Ringer-Laktat-Lösung, steht im Vordergrund der Behandlung und beginnt unmittelbar nach Diagnosestellung. Zur Schmerztherapie stehen Kombinationen verschiedener Analgetika zur Verfügung. Ergibt eine Blasendruckmessung einen erhöhten intraabdominellen Druck, sind gefüllte Hohlräume zu entleeren und raumfordernde Veränderungen zu entfernen. Darüber hinaus kann die Dehnbarkeit der Bauchwand optimiert werden sowie eine Flüssigkeitszufuhr unter hämodynamischem Monitoring erfolgen. Eine Antibiotikatherapie wird nicht prophylaktisch, sondern erst bei einer schweren bzw. nekrotisierenden akuten Pankreatitis empfohlen. Enterale Ernährung ist ebenfalls erst bei schwerem bzw. prognostiziert schwerem Verlauf angezeigt, dann innerhalb 48 Stunden in Form einer hochmolekularen Sondenkost. Nach biliärer akuter Pankreatitis sollte eine Cholezystektomie durchgeführt werden.
Die medikamentöse Therapie der chronischen Pankreatitis im akuten Schub entspricht den Maßnahmen der nicht-chronischen akuten Erkrankung. Im Mittelpunkt steht hier die Schmerztherapie, die dem WHO-Stufenschema folgen soll. Bei Steatorrhö empfiehlt die Leitlinie eine Pankreatinsubstitution sowie eine adäquate ernährungsmedizinische Intervention zur Behebung von bestehender Malabsorption.
Möglichst minimalinvasiv
Nach wie vor ist eine infizierte Nekrose als potenziell lebensbedrohlich einzustufen. Wenn klinisch notwendig, erfolgt eine Intervention je nach Erscheinungsbild als Drainage, Spülung oder Nekrosektomie. Das soll vorrangig per endoskopischem Zugang und möglichst wenig invasiv geschehen. Anders als noch vor wenigen Jahren, setzt die aktuelle Leitlinie bei einer infizierten Pankreasnekrose und peripankreatischen infizierten Verhalten auf einer möglichst atraumatischen Strategie mittels multimodaler Therapie und minimalinvasiver Methoden mit dem Ziel der Schadenskontrolle. Die Leitlinienautoren gehen damit weg von der primär chirurgischen Therapie.
Bei Patienten mit „nicht-mildem“ Schweregrad, alkoholinduzierter Pankreatitis, unklarer Ätiologie und Alter über 40 Jahren sowie mit fehlender Beschwerdefreiheit nach Entlassung besteht das Risiko eines Rezidivs. Hier ist hier eine strukturierte Nachsorge empfohlen.
Quelle
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). S3-Leitlinie Pankreatitis (September 2021 – AWMF Registernummer 021 – 003).