Ein gemeinsames Positionspapier der Sektionen Ethik sowie Psychologische Versorgungsstrukturen in der Intensivmedizin der DIVI gibt Krankenhäusern ab sofort eine Hilfestellung, wie Besuche Angehöriger strukturiert und pandemiekonform ermöglicht werden können.
Besuch für schnellere Genesung
Einige Krankenhäuser beginnen angesichts steigender Infektionszahlen bereits wieder, Besuche einzuschränken. Psychologin und Mitautorin des Positionspapiers Dr. Teresa Deffner weist darauf hin, dass dies aber keinesfalls in eine vollständige Isolation der Patienten führen dürfe.
Besuchsverbote verlangsamen zum einen den Genesungsprozess des Patienten (z.B. erhöhtes Delirrisiko) und belasten zum anderen auch Angehörige enorm (z.B. psychische Folgebelastungen, wenn sie sich nicht von sterbenden Angehörigen verabschieden dürfen).
Angehörigenbesuche werden als ein Grundrecht verstanden und seien integraler Bestandteil der Patientenbehandlung, heißt es im Positionspapier. So gilt es, zwischen den notwendigen Schutzmaßnahmen hinsichtlich Risiken für Patienten, Angehörigen und Mitarbeitern einerseits und der möglichst geringen Beschränkung der Angehörigenbesuche andererseits abzuwägen.
Besuchsverbot belastet Krankenhauspersonal
Überdies sind Besuchsverbote auch für Mitarbeiter im Krankenhaus aus verschiedenen Gründen eine große Belastung:
- Mitarbeiter mussten entgegen dem eigenen ethischen Grundverständnis Familien die Begleitung sterbender Angehöriger verweigern.
- Begleitung einer hohen Anzahl sterbender Patienten ist ein Stressfaktor für Mitarbeiter.
- Situationen, in denen Patienten und Angehörigen keine adäquate emotionale Unterstützung erhalten, gelten als wesentlicher Faktor für moralischen Stress von Mitarbeitern, was wiederum die Gesundheit und Arbeitszufriedenheit gefährdet.
Empfehlungen zur Ermöglichung von Besuchen
Zunächst sollen interprofessionelle Teams Besuchskonzepte erarbeiten und Ansprechpartner festlegen. Unter anderem sollten die Zahl besuchender Angehöriger reduziert sowie Patienten und deren Angehörigen über Risiken von Besuch und von fehlendem Besuch aufgeklärt werden. Das Abschiednehmen von (nicht infektiösen und infektiösen) sterbenden Patienten muss stets für einen begrenzten Personenkreis ermöglicht werden. Der Bedarf für Besuch sollte täglich patientenspezifisch ermittelt werden.
Für die Besuche selbst sollte das Krankenhaus ein Schutzkonzept erstellen:
- Koordination der Besuche inklusive Terminmanagement (Anzahl und Verteilung der Besuche über den Tag regulieren)
- Ausgewogene Entscheidung über die Dauer eines einzelnen Besuches
- Kontaktnachverfolgung
- Sorge für Unterweisung und Einhaltung der Hygienemaßnahmen vor, während und nach dem Besuch
- Bereitstellen von persönlicher Schutzausrüstung und Unterstützung beim korrekten Umgang mit dieser (z.B. An- und Ablegen)
- Fortführen von bereits im Krankenhaus etablierten Strukturen der Angehörigenbetreuung
Digitale Alternativen zum persönlichen Besuch (z.B. per Videotelefonie) müssen durch das Krankenhaus mit datenschutzkonformen Kommunikationslösungen angeboten werden (inkl. Bereitstellung von entsprechender Infrastruktur).
Außerdem gilt natürlich, Einschränkungen von Besuchen regelmäßig anhand des aktuellen Infektionsrisikos zu beurteilen. Fällt der Grund für die Beschränkung weg (z.B. durch Impfungen), sind diese nicht mehr zu rechtfertigen.
Quelle
Deffner T, et al. für die Sektionen Ethik und Psychologische Versorgungsstrukturen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) . Positionspapier zur Regelung von Angehörigenbesuchen in Krankenhäusern während Pandemien. (PDF)