Akute Mittelohrentzündungen: Paukenröhrchen oder Antibiotika?

Wenn akute Mittelohrentzündungen bei Säuglingen und Kleinkindern immer wieder auftreten, kann mit Antibiotika behandelt oder ein Paukenröhrchen eingesetzt werden. US-amerikanische Ärzte haben beide Therapien miteinander verglichen.

Akute Mittelohrentzündung

Typische Symptome eine akuten Mittelohrentzündung (Otitis media) sind starke, plötzlich  auftretende Ohrenschmerzen, Hörstörungen, ein reduzierter Allgemeinzustand, Reizbarkeit, Fieber, Schwindel und ein Paukenerguss (vorgewölbtes Trommelfell).

Was sind die Auslöser?

Mehr als die Hälfte aller Kinder bis zum sechsten Lebensjahr haben bereits eine akute Mittelohrentzündung durchgemacht. Für Kleinkinder ist sie einer der häufigsten Anlässe für eine Antibiotikatherapie. Die häufigsten bakteriellen Erreger sind Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Moraxella catarrhalis. Jedoch kann eine Otitis media auch viral bedingt sein. Typische Auslöser sind hier Respiratory Syncytial Viren, Parainfluenzaviren, Influenzaviren oder Enteroviren.

Verschiedene Behandlungsoptionen

Im Alltag eines Kinderarztes kann in der Regel nicht zwischen einer bakteriellen und viralen Ursache unterschieden werden. Deshalb erfolgt bei Kindern ab 2 Jahren in der Regel eine symptomatische Behandlung mit Analgetika wie Paracetamol oder Ibuprofen. Bleiben die Symptome auch nach 48 Stunden bestehen, wird eine Antibiotikabehandlung empfohlen.

Bei immer wiederkehrenden Mittelohrentzündungen im Kindesalter wird häufig die Einlage eines Paukenröhrchens in Betracht gezogen. Durch den Sekretabfluss und die Belüftung des Mittelohrs soll der Paukenerguss beseitigt werden und Sprachentwicklungsstörungen durch die Hörminderung verhindert werden. Doch hat dieser operative Eingriff wirklich Vorteile gegenüber einer Antibiotikatherapie?

Paukenröhrchen vs. Antibiotika

In einer US-amerikanischen Studie wurde das nun untersucht. 250 Kinder mit einer chronischen Mittelohrentzündung zwischen 6 und 35 Monaten wurden in die Studie eingeschlossen. Die Kinder hatten entweder drei akute Mittelohrentzündungen in den letzten sechs Monaten oder mindestens vier im letzten Jahr gehabt. Die Kinder bekamen entweder ein Paukenröhrchen eingesetzt oder erhielten in der Regel eine antibiotische Therapie mit Amoxicillin/Clavulansäure (90 mg/6,4 mg/kg KG) über zehn Tage.

Primärer Endpunkt war die mittlere Anzahl akuter Mittelohrentzündungen pro Jahr des Kindes über einen Zeitraum von zwei Jahren.

Erneute Mittelohrentzündungen gleich häufig

Die Rate der akuten Mittelohrentzündungen pro Lebensjahr unterschied sich während der zwei Jahre nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen (1,48 ± 0,08 in der Paukenröhrchengruppe vs. 1,56 ± 0,08 in der Antibiotikagruppe; Intention-to-treat-Analyse).

10% der Kinder, die laut Studienzuteilung ein Paukenröhrchen erhalten sollten, bekamen doch keines und 16 % der Kinder, die der Antibiotika-Gruppe zugeteilt wurden, bekamen auf Wunsch der Eltern ein Paukenröhrchen eingesetzt. Die Daten der Kinder, die protokollgemäß behandelt wurden (Per-protocol-Analyse) ergaben jedoch kein anderes Bild. Auch hier unterschied sich die Rate der akuten Mittelohrentzündungen nicht signifikant.

Säuglinge besonders häufig betroffen

In beiden Gruppen traten die meisten Mittelohrentzündungen während des ersten Beobachtungsjahres auf und am häufigsten bei den jüngeren Kindern zwischen 6 und 11 Monaten. Unerwünschte Wirkungen wie Durchfall oder Windeldermatitis waren in beiden Gruppen ähnlich verteilt.

Vor- und Nachteile beider Therapieoptionen

Unterschiede gab es bei der Zeit bis zum Wiederauftreten einer akuten Otitits media. Diese betrug bei den Kindern, die ein Paukenröhrchen bekamen, im Median 4,34 Monate im Gegensatz zu 2,33 Monaten bei den Kindern mit der Antibiotikabehandlung (Hazard-Ratio 0,68). In der Antibiotika-Gruppe war der Anteil mit einem Therapieversagen höher (62% vs. 45%), was größtenteils darauf zurückzuführen war, dass die Eltern sich hier für die Anlage eines Paukenröhrchens entschieden hatten. Dafür litten Kinder mit Paukenröhrchen an mehr Tagen unter einer Otorrhö.  

Vorteile eines Paukenröhrchens fraglich

Die voreilige Verordnung von Antibiotika sollte aufgrund der Resistenzbildung und unerwünschten Wirkungen vermieden werden. Wenn eine akute Mittelohrentzündung jedoch häufiger auftritt, besteht die Gefahr einer Hörminderung. Dann ist die Anlage eines Paukenröhrchens eine Option. Diese erfolgt in der Regel mit einer Vollnarkose und ist ebenfalls nicht frei von Komplikationen. Auch kann durch das Paukenröhrchen selbst eine Otorrhö verursacht werden. Folgen können Vernarbungen des Trommelfells mit einer Hörminderung sein. Den Vorteil dieser Methode stellen die Ergebnisse dieser Studie zumindest in Frage.