Muskelschmerzen – oder doch nicht?

Kann im hausärztlichen Alltag herausgefunden werden, ob Muskelschmerzen tatsächlich mit einer Statintherapie zusammenhängen?

Statine unter den Top 10 in Deutschland

Statine finden eine sehr breite Anwendung und sind in der Regel auch gut verträglich. Simvastatin lag laut Arzneiverordnungs-Report letztes Jahr auf Platz 9 der am häufigsten kassenärztlich verordneten Arzneistoffe.

Dennoch kennt jeder die zwar seltene, aber schwere unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW): die Rhabdomyolyse. Hierbei kommt es zur Auflösung der quergestreiften Muskulatur, die dann zum akuten Nierenversagen führen kann. Diese UAW ist dosisabhängig.

Muskelschmerzen – selten oder doch nicht?

Ebenfalls zu den seltenen Nebenwirkungen gehören die Muskelschmerzen, die ohne eine Erhöhung muskelspezifischer Enzyme wie der Kreatinkinase einhergehen.

In der Praxis scheint diese unerwünschte Arzneimittelwirkung aber deutlich häufiger aufzutreten. Viele Patienten lehnen die Fortführung einer Statintherapie deshalb ab. Durch zahlreiche unverblindete Beobachtungsstudien und Medienberichte wurde dieser Eindruck wahrscheinlich verstärkt.

Im hausärztlichen Alltag ist es nicht einfach herauszufinden, ob auftretende Muskelschmerzen, ohne eine Erhöhung der Kreatinkinase, beim Patienten wirklich durch Statine verursacht werden, oder nicht.

n=1-Studien

Eine Möglichkeit, dies zu untersuchen, ist die Durchführung sog. n=1-Studien (auch: n-of-1-studies).

Bei diesem Spezialfall einer Cross-over-Studie erhält derselbe Patient verblindet in mehreren Therapiephasen verschiedene Behandlungen (hier: Verum oder Placebo) in zufälliger Reihenfolge. Wenn mehrere Patienten dann in die Auswertung eingeschlossen werden, kann das Ergebnis für die Beurteilung eines Behandlungseffekts herangezogen werden.

Genauer hinschauen

In der Studie StainWISE (Statin Web-based Investigation of Side Effects) aus Großbritannien wurden in mehreren n=1-Studien Behandlungsphasen mit Statinen und Placebo miteinander verglichen, und zwar bei 200 Patienten, die zuvor über Muskelschmerzen unter Statineinnahme berichtet haben. Die Patienten wurden randomisiert in sechs zweimonatige doppelblinde Behandlungsphasen mit 20 mg Atorvastatin oder Placebo eingeteilt (3 Phasen mit Atorvastatin und 3 Phasen mit Placebo).

Primärer Endpunkt was die Bewertung der Muskelsymptome (Schmerzen, Schwäche, Spannen, Steifigkeit oder Krämpfe) über sieben Tage am Ende jeder Behandlungsphase durch die Patienten anhand einer visuellen Analogskala (0 = keine Symptome, 10 = maximale Symptome).

Am Ende der Studie erhielten die Patienten eine persönliche Auswertung ihrer Daten. Sie wurden dazu eingeladen, die Ergebnisse mit ihrem Hausarzt zu besprechen. Darüber hinaus wurden sie gefragt, ob die Ergebnisse hilfreich wären und ob sie eine Statinbehandlung erneut starten würden.

Bei den muskulären Symptomen wurde kein Unterschied zwischen den Behandlungsphasen mit Atorvastatin oder Placebo gefunden (mittlerer Unterschied –0,11, 95%-KI –0,36 bis 0,14, p = 0,4).

Während einer Statin-Behandlungsphase brachen 18 Patienten (9%) aufgrund von nichttolerierbaren Muskelbeschwerden die Studie ab. Während einer Placebo-Phase waren es 13 Patienten (7%).

Zwei Drittel der Patienten, die die Studie beendet hatten, nahmen die Langzeitbehandlung mit einem Statin wieder auf.

Erneuter Versuch

Bei den meisten Patienten hatten die Muskelschmerzen dann wohl doch keinen kausalen Zusammenhang mit der Statineinnahme.

Zum einen sind Muskelschmerzen bei der Altersgruppe, die Statine einnimmt, nicht unüblich und zum anderen ist der Nocebo-Effekt eine weitere Erklärung.

Da die Häufigkeit der Muskelbeschwerden auch mit der Statindosis einhergeht, können diese Ergebnisse nicht auf höhere Dosen oder andere Statine übertragen werden. Eine solche n=1-Studie wäre aber dennoch im hausärztlichen Alltag eine Möglichkeit, um einen Zusammenhang zwischen auftretenden Muskelschmerzen (ohne eine Erhöhung spezifischer Enzyme) und der Statineinnahme genauer zu beurteilen. Besonders für Patienten mit einem hohen kardiovaskulären Risiko könnte die Wiederaufnahme oder Weiterführung einer Statintherapie von Vorteil sein.