Mit dem heutigen Inkrafttreten des GSAV (Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung) ändert sich die Versorgung von Hämophilie-Patienten mit Gerinnungsfaktoren oder Antikörpern. Was das für Apotheker bedeutet, lesen Sie im Interview mit Claudia Neuhaus, 1. Vorsitzende des Verbands Hämophilie-Apotheken e. V.
Bisher waren Blutgerinnungsfaktoren von der Apothekenpflicht ausgenommen und die ambulanten Patienten wurden direkt über das Therapiezentrum oder die Arztpraxis versorgt. Ab nun wird die Versorgung mit Hämophilie-Produkten (sowohl Gerinnungsfaktoren als auch Antikörper) in der Regel über die Apotheken laufen.
Interview mit Apothekerin Claudia Neuhaus
Wie der Verband der Hämophilie-Apotheken e. V. Apotheker, Ärzte und Patienten unterstützen kann, lesen Sie im Interview mit Apothekerin Claudia Neuhaus, 1. Vorsitzende des Verbands.
Redaktion: Seit mehr als zwei Jahren werden Antikörper zur Hämophilie-Behandlung bereits als Arzneimittel über die Apotheken vertrieben. Welche Erfahrungen haben Sie hier bereits machen können?
Neuhaus: Es gab bisher mit dem Antikörper Emicizumab (Hemlibra®) nur ein Arzneimittel zur Behandlung der Hämophilie, das ausschließlich über Apotheken vertrieben wurde. Durch einen Zufall kam ich im Sommer 2018 mit einem Hämophilie-Patienten in Kontakt, der von mehreren Apotheken abgewiesen worden war. Das war für mich der Anlass, mich intensiv mit der Versorgung von Hämophilie-Patientinnen und -Patienten zu beschäftigen.
Redaktion: Was hat Sie dazu bewogen, den Verband der Hämophilie-Apotheken e. V. zu gründen? Was sind Ihre Ziele?
Neuhaus: Als die Änderung des Versorgungsweges mit dem GSAV beschlossen wurde, habe ich das als Herausforderung für uns als Apotheken verstanden. Es geht darum, die Rolle der Apotheke im Zusammenspiel mit Ärzten und Zentren zu definieren, sodass wir gemeinsam die bestmögliche Versorgung der Patienten realisieren können. Hierzu brauchen wir als Apotheken spezielle Kompetenzen und verlässliche Prozesse.
Der Verband der Hämophilie Apotheken e.V bildet die Plattform zu Kompetenzweitergabe und Entwicklung. Inzwischen haben wir Qualitätskriterien entwickelt. Beispielsweise wird unser pharmazeutisches Personal regelmäßig geschult, Vertriebswege werden transparent gemacht, die Erreichbarkeit rund um die Uhr an 365 Tagen/Jahr wird realisiert, Notfalldepots werden zur Verfügung gestellt und ein kostenloser GDP-konformer Lieferdienst wird den Patienten zur Verfügung gestellt. Die lückenlose Chargendokumentation zur Weitergabe an die behandelnden Ärzte und Zentren können wir durch Nutzung des Dokumentationssystems DocuScan in einer einheitlichen Form zur Verfügung stellen. Bei der Abgabe der Hämophilie-Medikamente werden die Chargennummer des Medikaments und die Adresse des Patienten an die Ärzte weitergegeben. Damit unterstützen wir die Ärzte in der Dokumentationspflicht und Weitergabe an das Deutsche Hämophilie Register. Der Arzt kann über eine Schnittstelle die Daten an das elektronische Tagebuch der Patienten übermitteln.
Mitglieder des Verbands der Hämophilie-Apotheken e. V. sind auf der Homepage gelistet, sodass Ärzte, Zentren und Patienten sich dort informieren können.
Redaktion: Frau Neuhaus, wo sehen sie den Verband der Hämophilie Apotheken e. V. in einem Jahr?
Neuhaus: Wir verstehen die Entwicklung der Qualitätsstandards als iterativen Prozess. Wir wollen ständig aus unseren Erfahrungen lernen und die Versorgung im Netzwerk gemeinsam mit den Ärzten und Zentren weiter verbessern.
Beispielsweise wollen wir die Versorgung der Patienten auch auf Reisen im gesamten Bundesgebiet durch unser Netzwerk von verbandsangehörigen Apotheken sichern. Das heißt einerseits die wohnortnahe Versorgung optimieren und andererseits mithilfe des Netzwerks bundesweite Versorgungssicherheit für 365 Tage und an 24 Stunden gewährleisten.
MMP-Webinar Hämophilie
Am 22. September 2020 findet das MMP-Webinar „Hämophilie – Pathogenese, Therapie und pharmazeutische Versorgung“ mit Dr. med. Georg Goldmann, Oberarzt des Hämophiliezentrums am Universitätsklinikum Bonn, statt.
Er wird folgende Themen beleuchten:
- Pathogenese und Klinik der Hämophilie
- Geschichte der Hämophilietherapie
- Aktuelle und zukünftige Therapieoptionen
- (Neu-)Strukturierung der Versorgung in Deutschland
Das Webinar ist mit einem Fortbildungspunkt akkreditiert. Kostenlos anmelden können Sie sich hier. Mit freundlicher Unterstützung von Chugai Pharma Germany GmbH und Roche Deutschland Holding GmbH.