Ist Google AI der bessere Arzt?

Anfang des Jahres kursierten im Internet Medienberichte darüber, wie Google AI künftig den Job von Ärzten übernehmen könnte. Anlass war eine in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie. Müssen Mediziner in naher Zukunft um ihren Job bangen? Oder bietet das Ganze einfach nur eine Steilvorlage für unsere Rubrik Webwaste? Diese Meinung vertritt jedenfalls das Team der „Unstatistik des Monats“.

„Google AI erkennt Brustkrebs besser als die erfahrensten Radiologen“

In der „Unstatistik des Monats“ werden regelmäßig publizierte Zahlen und deren Interpretationen in den Medien hinterfragt. Im letzten Monat ging es um den Hype um künstliche Intelligenz (AI, artificial intelligence).

Anlass war eine Anfang Januar 2020 der Zeitschrift Nature publizierte Studie über ein AI-System zur Brustkrebsfrüherkennung. In der federführend von Google-Health-Wissenschaftlern durchgeführten Studie wurden künstliche neuronale Netzwerke mit Mammogrammen aus Großbritannien und den USA trainiert und getestet. In Großbritannien hatten zwei Radiologen die einzelnen Röntgenaufnahmen beurteilt. Im Fall eines unklaren Ergebnisses erstellten sie ein Konsensus-Urteil. Hier war das AI-System im Mittel etwas besser als einer der beiden Radiologen und etwas schlechter als der zweite Radiologe und der Konsensus. In den USA traf nur ein Radiologe das Urteil. Hier war das System der künstlichen Intelligenz besser.

In einem weiteren Teil der Studie testete man sechs weitere US-amerikanische Radiologen. Sie erreichten zwar schlechtere Werte als die künstliche Intelligenz, allerdings hatten längst nicht alle von ihnen Erfahrung im Beurteilen von Mammogrammen. Die Autoren der Studie wiesen selbst darauf hin, dass die Ergebnisse wahrscheinlich besser ausgefallen wären, wenn sie spezialisierte Radiologen zurate gezogen hätten.

Eine Internetseite machte sie allerdings zu „den erfahrensten Radiologen“ („Google AI erkennt Brustkrebs besser als die erfahrensten Radiologen“). Diese Seite ist im Allgemeinen nicht ganz ernst zu nehmen, doch selbst „Spiegel online“ titelte „Wie künstliche Intelligenz künftig den Job von Ärzten übernimmt“.

Das Unstatistik-Team um Gerd Gigerenzer, Berlin, kommentiert in seiner Meldung:

„AI-Systeme werden in der Tat immer besser in der Krebsfrüherkennung, aber das ist nicht unser Punkt. Diese Unstatistik zeigt exemplarisch, wie AI-Erfolge in der Presse übertrieben werden und die Frage nach dem Nutzen für Patientinnen und Patienten nicht gestellt wird.“

Werden Frauen durch besser werdende AI einen Nutzen haben?

Die Frage nach dem Nutzen für die Frauen, die an einem Mammographie-Screening teilnehmen und deren Bilder mit AI ausgewertet werden, beantwortet das Team ganz klar mit „Nein“.

Ein Problem sei nämlich weiterhin die Überbehandlung: Kleine und klinisch irrelevante Tumoren lassen sich zum Zeitpunkt der Früherkennung nach wie vor nicht von problematischen Tumoren unterscheiden. In der Folge erhalten Frauen möglicherweise eine unnötige Therapie – samt dazugehörigen Nebenwirkungen. Der Nutzen des Mammographie-Screenings wird in der letzten Zeit ohnehin infrage gestellt, da die Gesamtanzahl der Frauen, die an (Brust-)Krebs sterben, durch das Screening nicht gesenkt werden konnte.

Dass sich das Problem der Überbehandlung mit AI-Systemen künftig lösen lässt, sehen die Wissenschaftler der „Unstatistik des Monats“ jedenfalls nicht.

Ergänzen, nicht ersetzen

Andere Medien gingen deutlich umsichtiger mit der Interpretation der Studie um. Heise.de schrieb beispielsweise, dass die Technik den Menschen nicht ersetzen, sondern ergänzen solle.