Etwa 68 Millionen Menschen leiden weltweit an Epilepsie. In den letzten zwei Jahrzehnten wurden mehr als ein Dutzend neue Antiepileptika in den Markt eingeführt – das lässt vermuten, dass sich die Lage für Epilepsiepatienten insgesamt verbessert hat.
Therapieresistente Epilepsie
Da die Epilepsie nach wie vor nicht geheilt werden kann, brauchen die Patienten in der Regel eine lebenslange Therapie zur Unterdrückung der Anfälle. Diese wird in erster Linie medikamentös durchgeführt. In einer von 1982 bis 1998 durchgeführten Beobachtungsstudie hatte etwa ein Drittel der Patienten trotz Arzneimitteleinnahme weiterhin Anfälle.
Die Studie wurde verlängert und insgesamt 1795 Patienten mit neu diagnostizierter Epilepsie wurden zwischen 1982 und 2012 aufgenommen. Alle Patienten wurden mindestens 2 Jahre bzw. bis zum Tod nachbeobachtet. Meist wurde nach zwei Anfällen mit der Therapie begonnen. Die Erstbehandlung erfolgte immer als Monotherapie, Folgetherapien konnten entweder ein anderes Einzelpräparat oder Wirkstoffkombinationen sein. Studienziel war die Anfallsfreiheit für mindestens ein Jahr.
Dies wurde bei 1144 Patienten erreicht – bei 816 davon mit dem ersten Therapieregime und bei 993 mit einer Monotherapie.
Im Umkehrschluss heißt das jedoch, dass nach wie vor ein Drittel der Patienten inadäquat behandelt wurde – trotz zahlreicher neuer Antiepileptika auf dem Markt. Zudem sank die Wahrscheinlichkeit für Anfallsfreiheit mit jedem erfolglosen Therapieversuch. So erreichten noch 208 von 742 Patienten das Therapieziel mit dem zweiten Regime, mit dem dritten waren es nur noch 78 von 330.
Die Autoren resümieren, dass sich trotz neuer Antiepileptika auf dem Markt die Situation nicht verbessert habe und man bei arzneimittelresistenter Epilepsie Patienten frühzeitig für alternative Therapieformen in Betracht ziehen sollte – beispielsweise chirurgische Maßnahmen oder Stimulationsverfahren.
Nutzen neue Antiepileptika dann überhaupt etwas?
Die in den letzten Jahren neu zugelassenen Wirkstoffe werden oft als ähnlich effektiv wie lang etablierte bei manchmal besserem Nebenwirkungsprofil charakterisiert.
Seit mehr als 50 Jahren im Einsatz sind beispielsweise Valproat und verwandte Substanzen. Wenn sie in der Schwangerschaft eingenommen werden, ist dies jedoch extrem kritisch zu sehen. Denn diese sind mit einem dosisabhängigen Risiko für Anomalien des Neugeborenen assoziiert: Es besteht ein hohes Risiko für schwerwiegende Entwicklungsstörungen (bis zu 30–40 %) und/oder angeborene Missbildungen (etwa 10 %). Seit Ende 2014 darf Valproat daher Mädchen, weiblichen Jugendlichen, Frauen im gebärfähigen Alter oder schwangeren Frauen nur verschrieben werden, wenn andere Arzneimittel nicht vertragen werden oder nicht wirken.
Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der EMA empfiehlt weitere Einschränkungen der Valproat-Therapie: Der Wirkstoff soll bei Frauen im gebärfähigen Alter gar nicht eingesetzt werden – Schwangere mit bereits bestehender Therapie müssen besonders überwacht werden. Außerdem ist bei Neuverordnung ein neu eingeführtes Schwangerschaftsverhütungsprogramm zu erfüllen.
Wenn also mehr Wirkstoffe zur Verfügung stehen, die vielleicht insgesamt „nur“ genauso wirksam, aber wesentlich sicherer sind, ist das in meinen Augen bereits ein erheblicher Zugewinn.