In der Online-Pressekonferenz anlässlich der 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie erläuterten Prof. Dr. med. Axel Seltsam und Prof. Dr. med. Torsten Tonn, wie sicher Bluttransfusionen in Deutschland sind, mit welchen zukünftigen Risiken zu rechnen ist und welche Lücken künstliche Blutprodukte schließen können.
Neue Erreger als Risiko bei Blutprodukten
Blutprodukte erfüllen in Deutschland einen sehr hohen Sicherheitsstandard, erläuterte Seltsam. Diese wird unter anderem durch eine strikte Befragung und einer sensitiven Testung auf verschiedene Viren vor der Blutspende gewährleistet. Eine Herausforderung sind jedoch neu eingeschleppte Erreger. In der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, wie schnell sich vorher unbekannte Viren weltweit verbreiten können. SARS-CoV-2 ist allerdings nicht über das Blut übertragbar. Andere Viren wie das West-Nil-oder Denguevirus, die vermehrt in Europa präsent sind, können potenziell ein Risiko darstellen. Es können jedoch nicht immer für alle neuen Keime entsprechende Tests entwickelt werden.
Pathogeninaktivierung zur Verbesserung der Sicherheit
So braucht es andere Methoden, um die Sicherheit von Blutprodukten sicherzustellen. Eine Möglichkeit ist die Pathogeninaktivierung mithilfe von Licht und speziellen photoaktiven Substanzen, die das Erbgut von Erregern so verändern, dass sie nicht mehr infektiös beziehungsweise vermehrungsfähig sind. Bei der Herstellung von Plasmaprodukten in der Industrie sind diese Verfahren bereits etabliert.
Auch für Thrombozytenkonzentrate könnten solche Inaktivierungsverfahren hilfreich sein: Diese können im Gegensatz zu Plasma oder Erythrozytenkonzentraten nicht gekühlt oder eingefroren werden und werden bei Raumtemperatur gelagert. Sind sie mit Bakterien kontaminiert, beispielsweise von der Haut des Blutspenders, was auch bei ordnungsgemäßer Desinfektion vor der Spende nicht immer vermeidbar ist, besteht das Risiko unkontrollierten Bakterienwachstums. Dies kann zu einer schweren Sepsis beim Empfänger führen (Risiko bei 1:10.000). In manchen Ländern ist die Pathogeninaktvierung für Thrombozytenkonzentrate bereits Pflicht, in Deutschland wird sie bisher kaum eingesetzt.
Für Erythrozytenkonzentrate, die in Deutschland etwa 3 bis 4 Millionen Mal pro Jahr zum Einsatz kommen, gibt es noch keine zugelassenen Verfahren. Diese befinden sich noch in klinischer Prüfung.
Künstliches Blut als Alternative zu Blutprodukten?
Zukünftig könnten überdies künstliche Blutprodukte für manche Patienten sinnvoll sein und zur Verfügung stehen, so Tonn. So können Patienten mit chronischem Transfusionsbedarf (z. B. bei Sichelzellanämie) Antikörper gegen die meisten Blutgruppenantigene gebildet haben. Diese könnten dann mit aus Stammzellen gewonnen universell einsetzbaren Blutprodukten versorgt werden. Diese werden gewonnen, indem mithilfe der Genschere CRISPR/Cas9 Antigenmerkmale aus den Blutstammzellen entfernt werden.
Auch für den Rettungsdienst könnten Produkte wie künstliche Sauerstoffträger oder verkapseltes Hämoglobin interessant sein, wenn diese ungekühlt verwendet werden können: Derzeit werden wegen der Kühlpflicht im Rettungswagen keine Blutprodukte mitgeführt – im Notfall greifen Rettungskräfte auf Plasmaexpander zurück.
Quelle
Prof. Dr. med. Axel Seltsam. Wie sicher sind Blutprodukte? Und Prof. Dr. med. Torsten Tonn. Blood Pharming: Sind Blutprodukte aus dem Labor die Zukunft? Chancen und Grenzen bei der Herstellung künstlicher Blutprodukte. Online-Pressekonferenz anlässlich der 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e.V. (DGTI). Online 19. September 2023.