Zu viel Calcium ist ein Warnzeichen

Erhöhte Calciumspiegel bleiben oft unentdeckt, können jedoch auf Tumorerkrankungen oder Störungen der Nebenschilddrüsen hinweisen.

Langfristig folgenschwer

Allzu viel Spielraum hat Calcium im Blutserum nicht, der Spiegel bewegt sich normalerweise zwischen 2,1 und 2,6 mmol/l (8,4 und 10,4 mg/dl). Erhöhte Werte verursachen selten akute Beschwerden und bleiben – da eine Messung des Serumcalciums nicht zur Routinediagnostik zählt – oft unerkannt. Über längere Zeit können jedoch Schäden entstehen, wie Privatdozent Dr. med. Stephan H. Scharla, Bad Reichenhall, auf der gemeinsamen Online-Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) im Juli 2023 erläuterte.

Nierensteine, Bluthochdruck und Gefäßerkrankungen sind mögliche folgenschwere Auswirkungen einer Hyperkalzämie. Hinweise können übermäßiger Durst und Harndrang sein. Darüber hinaus kann es zu Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit und Verstopfung, Muskellähmungen und -krämpfe sowie Herzrhythmus- oder neurologischen Störungen kommen.

Tumoren und Nebenschilddrüsen als Auslöser

Hinter den Erhöhungen des Blutcalciumspiegels stecken in den meisten Fällen zwei Verdächtige: maligne Tumorerkrankungen oder ein Hyperparathyreoidismus, eine Überfunktion der Nebenschilddrüsen.

Scharla erklärte die krebsbedingte Hyperkalzämie mit einer gesteigerten Freisetzung von Calcium aus Knochenmetastasen oder über die Bildung von Substanzen, die hormonell den Knochenabbau steigern. Zu Letzteren gehört das PTH-related peptide (Parathormon-ähnliches Peptid), das den Knochenabbau und damit die Calciumfreisetzung aus dem Knochen steigert.

Der Sprecher der Sektion Knochen- und Mineralstoffwechsel der DGE beschrieb außerdem die zweite häufige Ursache für zu viel Calcium im Blut: die Überfunktion einer Nebenschilddrüse mit vermehrter Bildung von Parathormon. Die Überfunktion und überschießende Bildung von Parathormon kann spontan, meist in der zweiten Lebenshälfte, oder im Rahmen von familiären genetischen Erkrankungen, etwa der multiplen endokrinen Neoplasie, auftreten. Die Nebenschilddrüsen haben einen Messfühler für Calcium und schütten bei niedrigem Calciumspiegel vermehrt Parathormon aus, welches dann über einen vermehrten Knochenabbau und verminderte Calciumausscheidung über die Niere den Calciumspiegel wieder erhöht.

Als seltenere, aber zunehmende Ursachen nannte Scharla Vitamin-D- oder Vitamin-A-Überdosierungen, außerdem Arzneimittel-Nebenwirkungen (z.B. bei Thiaziddiuretika), rheumatische Erkrankungen und seltene genetische Syndrome.

An der Wurzel therapieren

Grundsätzlich sollte die Behandlung an der Ursache der Hyperkalzämie ansetzen, so der Referent. Das kann die Therapie der zugrunde liegenden Tumorerkrankung sein oder bei Nebenschilddrüsenüberfunktion die chirurgische Entfernung des erkrankten Organs. Bestenfalls bestätigt ein gemessenes Absinken Parathormons im Blut schon während der Operation diesen Zusammenhang. Eine neue Studie mit 10-Jahres-Beobachtung bei Nebenschilddrüsenüberfunktion und geringer Calciumerhöhung rechtfertigt jedoch die Möglichkeit, diese Patienten mit jährlichen Kontrollen von Calciumspiegel, Knochendichte und Nierenfunktion im Auge zu behalten.

Darüber hinaus sind Flüssigkeitszufuhr, Calcitonin und Bisphosphonate sowie im Falle von Tumorerkrankungen auch Cortison Behandlungsoptionen.

Öfter mal messen!

Liegt die Ursache in einer Tumorerkrankung, kommt die Hyperkalzämie vor allem im Krankenhaus im Rahmen einer Krebsbehandlung ans Licht. Im ambulanten Bereich wird die Hyperkalzämie eher zufällig im Rahmen von Routine-Laboruntersuchungen entdeckt.

Da eine Nebenschilddrüsenüberfunktion ab 50 Jahren häufiger vorkommt, sollte der Calciumspiegel bei Patienten in diesem Alter unter Beobachtung stehen, plädierte Scharla. Insbesondere unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Schlafstörungen, Leistungsschwäche und Magen-Darm-Störungen sollten Anlass für eine solche Kontrolle geben.

Quelle

Privatdozent Dr. med. Stephan H. Scharla, Bad Reichenhall, Professor Dr. med. Stephan Petersenn, Hamburg. Kalziumüberschuss im Blut – warum eine rechtzeitige Diagnose und Therapie der Hyperkalzämie so wichtig sind. 5. gemeinsame Online-Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft e. V. (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e. V. (DGE). 19. Juli 2023.