7 neue Bewertungen zu Hochrisiko-Medizinprodukten – nur eines mit Zusatznutzen

Bei schwerem Tremor kann das gezielte Ausschalten von Hirngewebe mit fokussiertem Ultraschall Vorteile bieten. Das ergab eine Medizinprodukte-Bewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Für sechs weitere Verfahren sei der Nutzen noch fraglich und weitere Studien notwendig.

Bewertungen mit neuen invasiven Verfahren wieder angelaufen

Das erste Mal seit drei Jahren wurden dem IQWiG wieder Daten zur Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklasse gemäß §137h SGB V vorgelegt. Insgesamt bewerteten die Mitarbeiter sieben invasive Therapieverfahren (zur Anwendung an Herz, Lunge, Gehirn, Darm und Harnröhre).
Bei sechs der Verfahren ließen sich mangels aussagekräftiger Daten keine belastbaren Aussagen zu Nutzen, Schaden oder Unwirksamkeit für die Betroffenen machen. In diesen Fällen hat das IQWiG Eckpunkte für Erprobungsstudien entwickelt, sofern nicht bereits vielversprechende Studien laufen. Bei einem Verfahren ist für richtig ausgewählte Patienten ein Nutzen erkennbar.

Transkranialer Magnetresonanz-gesteuerter fokussierter Ultraschall bei essenziellem Tremor

Das gezielte Ausschalten von Hirngewebe mittels transkranialem Magnetresonanz-gesteuertem fokussiertem Ultraschall (TK-MRgFUS) soll (genetisch bedingtes) unkontrollierbares Zittern von Händen oder Beinen bei Betroffenen verbessern, bei denen der Tremor nicht mehr auf Arzneimittel reagiert und eine einseitige Behandlung ausreicht.

Ein Nutzen für den TK-MRgFUS zeichnete sich bei Personen mit essenziellem Tremor ab, die für eine tiefe Hirnstimulation (THS) nicht infrage kommen. Bei dieser Patientengruppe zeigten sich in einer randomisierten kontrollierten Studie Vorteile im Vergleich zur Placebo-Behandlung bzw. Nichtbehandlung: beim Tremor, bei Aktivitäten des täglichen Lebens und bei der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Auf Basis der vorliegenden Unterlagen lässt sich ein Nutzen der Behandlung mittels TK-MRgFUS im Vergleich zur allein konservativen Behandlung erkennen.

Eingeschränkt lassen sich diese Ergebnisse auch auf Personen übertragen, die für eine THS infrage kommen. Letztlich aber ist fraglich, ob eine Person mit schwerem Tremor vom gezielten Ausschalten von Hirngewebe mittels TK-MRgFUS mindestens genauso profitiert wie von der Implantation einer THS-Sonde. Um diese Frage beantworten zu können, wäre eine vergleichende Erprobungsstudie sinnvoll – gegebenenfalls ergänzt durch ein indikationsbezogenes Register.

Bei den weiteren Verfahren sind Studien nötig

Bei den weiteren untersuchten Verfahren sind Erprobungsstudien nötig, um abschließende Aussagen über Nutzen und Schaden zu machen:

  • Medikamentenbeschichteter Ballonkatheter bei Harnröhrenstrikturen
  • Irreversible Elektroporation bei chronischer Bronchitis
  • Endoskopische Thermoablation der Duodenalschleimhaut bei Typ-2-Diabetes
  • Perkutan-implantierter interatrialer Shunt zur Behandlung der Herzinsuffizienz
  • Koronare Lithoplastie bei koronarer Herzkrankheit
  • Endovaskulärer Stentgraft bei Trikuspidalklappeninsuffizienz

Das IQWiG und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) prüften zu jeder dieser Methoden die klinischen Daten, die jeweils von Krankenhaus und Medizinprodukthersteller zusammengestellt worden waren. In manchen Fällen hat der Hersteller bereits eine eigene Studie begonnen, sodass vor allem zu entscheiden ist, ob neben der Studie des Herstellers eine weitere Studie in Deutschland sinnvoll ist.

Bewertungen von invasiven Therapieverfahren mit Hochrisiko-Medizinprodukten gemäß §137h SGB V

Nach ersten Bewertungen von invasiven Therapieverfahren mit Hochrisiko-Medizinprodukten gemäß §137h SGB V im Jahr 2016 hatte es von 2017 bis 2019 keine neuen Anträge für neue Methoden gegeben. Nach einer Gesetzesänderung im Jahr 2019 muss eine neue Hochrisiko-Methode nicht mehr „mindestens ein Potenzial“ aufweisen, um von gesetzlichen Krankenkassen bezahlt zu werden. Nun hat vorrangig der G-BA (und nicht der Medizinproduktehersteller) die Kosten der Erprobungsstudie zu tragen. Die Finanzierungsfrage hatte in der Vergangenheit ebenfalls dafür gesorgt, dass vor allem Hersteller der §-137h-Bewertung negativ gegenüberstanden.

Sofern der G-BA auf Basis der IQWiG-Bewertungen entsprechende Beschlüsse fasst, können die neuen Behandlungsmethoden durch die gesetzlichen Krankenversicherungen erstattet werden. Allerdings bieten derzeit nur einige wenige Krankenhäuser die oben genannten neuen Behandlungsmethoden an, die vorrangig im Rahmen von Studien angewendet werden sollen.

Quelle

Pressemitteilung vom 26. Mai 2021

Die kompletten Bewertungen sind auf der Seite des IQWiG zusammengefasst: