Viele ältere Patienten erhalten Benzodiazepine bei Schlafstörungen. Verpasst wird dann jedoch häufig, diese wieder abzusetzen. Eine aktuelle Umfrage unter Ärzten sollte nun zeigen, warum die Medikamente so lange weiterverordnet werden.
Senioren nehmen häufig ungeeignete Medikamente ein
Ältere Menschen erhalten oft eine Vielzahl von Arzneimitteln – darunter auch häufig für sie möglicherweise ungeeignete Wirkstoffe („potenziell inadäquate Medikation im Alter“ [PIM]). Dazu zählen Benzodiazepine, die unter anderem das Sturzrisiko erhöhen, abhängig machen oder kognitive Beeinträchtigungen verursachen können.
Trotzdem nehmen viele Patienten diese Mittel ein – laut amerikanischen Daten ist es sogar die potenziell ungeeignete Wirkstoffgruppe, die am häufigsten verordnet wird. Auch in manchen europäischen Ländern werden Verschreibungsraten von über 30% bei älteren Menschen berichtet, die noch selbstständig in ihrem eigenen Zuhause leben, in Pflegeeinrichtungen ist der Anteil oft noch höher.
Absetzen erwünscht, aber schwierig?
Eine aktuelle Studie zeigt, dass viele Ältere allgemein offen gegenüber dem Absetzen von Medikamenten sind, doch gerade für Benzodiazepine scheint sich dieser Prozess schwierig zu gestalten.
Was sind die Gründe hierfür? Um das herauszufinden, wurden Krankenhausärzte und niedergelassene Ärzte in sechs europäischen Ländern (Belgien, Griechenland, Norwegen, Polen, Spanien, Schweiz) befragt. Es ging dabei nur um Patienten, die die Benzodiazepine bei Schlafstörungen erhielten.
Hürden für das Deprescribing
Es wurden zwei Faktoren identifiziert, die das Deprescribing begünstigen: das Wissen um die Risiken des Benzodiazepin-Gebrauchs und der Glaube, dass der Nutzen beim Absetzen größer ist als die Risiken.
Große Hürden für das Absetzen waren unter anderem:
- Fehlende Ressourcen (Personal und Zeit)
- Fehlende hausinterne Strategien und Richtlinien zum Absetzen von Benzodiazepinen
- Zu wenig Wissen zum Deprescribing sowie zu alternativen Strategien
- Befragte fühlten sich nicht sicher, entsprechende Gespräche mit ihren Patienten zu führen
- Dringendere gesundheitliche Probleme
- Unwillen der Patienten, die Therapie zu beenden
- Patienten üben Druck aus, um ihre Medikamente weiterhin zu erhalten
- Mangelnde Kooperation unter Ärzten und Widerstand durch das Pflegepersonal
- Psychiatrische Erkrankungen und kognitive Einschränkungen erschwerten das Absetzen
Außer dem Verweis auf psychiatrische Konditionen waren bei den Antworten keine größeren Unterschiede bei Ärzten verschiedener Fachrichtungen auszumachen. Krankenhausärzte und niedergelassene Ärzte gaben ähnliche Schwierigkeiten an. Als begünstigende Faktoren gaben letztere jedoch an, dass sie auch willens sind, einen entsprechenden im Krankenhaus begonnenen Prozess fortzuführen.
Mögliche Unterstützung beim Absetzen
Auch wenn es kein zusätzliches Personal oder finanzielle Mittel gebe, sehen die Studienautoren doch Möglichkeiten, den Deprescribing-Prozess zu unterstützen:
- Leitlinien und Tools zur Unterstützung der Ärzte etablieren
- Interprofessionelle Zusammenarbeit, unter anderem mit Apothekern, fördern
- Zugang zu kognitiver Verhaltenstherapie bei Schlafstörungen erleichtern
Patienten überzeugen?
Viele der Ärzte gaben in der Umfrage zwar an, Widerstand der Patienten gegenüber dem Deprescribing wahrzunehmen, während andere Studien aber zeigen, dass viele Patienten offen gegenüber dem Absetzen von Medikamenten sind, wenn es von ihrem Arzt, dem sie vertrauen, empfohlen wird.
Quelle
Shapoval V, et al. Barriers to Deprescribing Benzodiazepines in Older Adults in a Survey of European Physicians. JAMA Netw Open. 2025;8(3):e2459883. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.59883
Bildquelle
Kzenon – stock.adobe.com